St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
Blick konnte man kaum widerstehen. Prospero streckte eine Hand aus, die einfach aus seinem weiten Ärmel zu wachsen schien. Für ein Gespenst besaß er eine auffällig bronzebraune Haut. Seine Finger wirkten so lang und elegant, dass Kate sich schließlich ein Herz fasste und ihre Hand ausstreckte, um die seine zu ergreifen. Fast hatte sie schon vergessen, dass es sich bei ihrem Gegenüber um ein Gespenst handelte, als ihre rechte Hand durch seine hindurchfuhr, was ein eigenartiges Gefühl bei ihr auslöste, so als sei sie von einem frostkalten Blitz getroffen worden ...
Kate riss ihre Hand rasch zurück. Offensichtlich hatte der Urahn ihr nicht wie ein Gentleman begegnen und ihr beim Aufstehen helfen wollen.
Seine Hand blieb ausgestreckt, und er verlangte in eindeutig befehlendem Tonfall: »Mein Buch, wenn das nicht zu viele Umstände bereitet.«
Aber die junge Frau presste das Bändchen an sich und schüttelte entschieden den Kopf. Sie wusste nicht, wie sie es angestellt hatte, diesen Geist aus seinem Grab zu rufen, aber das musste etwas m it diesem Buch zu tun haben. Und wenn es so wertvoll war, wollte sie es nicht ohne Gegenleistung zurückgeben.
Doch der Wettstreit zwischen ihnen währte nicht sehr lange. Mit einer beiläufigen Handbewegung sorgte er dafür, dass sich das Buch aus ihrem Griff löste. Mit einem leisen Schrei verfolgte Kate, wie das Bändchen zu seinem rechtmäßigen Besitzer schwebte. Prospero legte das Werk auf den Schreibtisch, wo Kate es nicht ohne weiteres erreichen konnte, dann wandte er sich wieder ihr zu. In seinem Gesicht brannten keine Höllenfeuer, wie Lance ihr weiszumachen versucht hatte, aber seinem gestrengen Blick war durchaus zuzutrauen, einen ausgewachsenen Mann in Asche zu verwandeln - und erst recht ein schlankes Mädchen.
Aber Kate hatte noch nie vor jemandem gekuscht, nicht einmal vor der alten Crockett, wenn sie mit der Peitsche kam. Warum also jetzt damit anfangen. Das Herz schlug ihr zwar bis zum Hals, aber sie stand auf und erklärte dem Urahn mit allem Trotz, den sie aufbieten konnte: »Ich habe keine Angst vor Euch, kein bisschen.« »Tatsächlich?« Er zog eine Augenbraue hoch, betrachtete sie eingehender und schritt langsam auf sie zu. Die junge Frau wich ein Stück vor ihm zurück. »Mir macht es nicht das Geringste aus«, bluffte sie, »dass Ihr ein schrecklicher Zauberer seid. Denn ich bin selbst so eine Art Hexe.«
»Eine Hexe, die sich bei mir Zaubersprüche ausborgen kommt?«, spottete er.
»Na, Ihr braucht das Bändchen ja nicht so dringend. Schließlich sind es Jahre her, seit Lance Euch hier zum letzten Mal gesehen hat.«
Prospero kam ihr immer noch näher und zwang sie, sich so weit zurückzuziehen, bis nur noch die Wand hinter ihr war. Und dabei blieb ihm auch noch Zeit, spöttisch auf ihre Worte zu reagieren. »Tatsächlich? Ich hätte geschworen, es seien bereits Jahrzehnte.«
Etwas Nachdenkliches, fast Wehmütiges tauchte kurz in seinem Blick auf, verschwand aber genauso rasch wieder.
Dann betrachtete er Kate von neuem streng.
»Jetzt, wo Ihr es sagt, fällt mir ein, Euch tatsächlich schon einmal gesehen zu haben. Doch ich glaube, das war nicht nackt tanzend und her umspringend auf dem Blocksberg.«
Sein Sarkasmus traf sie wie ein Hieb.
»Also gut«, murmelte die junge Frau schließlich, »ich bin keine Hexe. Ich heiße Kate Fitzleger, und ich wohne unten im Dorf.«
»Die kleine Katherine Fitzleger? Der junge Wildfang, der hier in Männerhosen herumstolzierte? Und in der Großen Halle mit den Schwertern gespielt hat?« »Ja«, bestätigte sie und fühlte sich gar nicht wohl dabei, dass er so viel über sie wusste; und das umso mehr, da sie vor dieser Nacht gar nicht richtig von seiner Existenz überzeugt gewesen war.
Nun trat der Geist einen Schritt zurück und betrachtete sie mit einem so lüsternen Blick von Kopf bis Fuß, dass ihr die Röte in die Wangen schoss.
»Ihr seid ein Stück gewachsen«, bemerkte der Zauberer. Kate ärgerte sich, dass sie binnen weniger Minuten zum zweiten Mal errötete, wo ihr das doch sonst in zwei Jahren kaum ein Mal widerfuhr. Sie hatte plötzlich zu viele Hände, zupfte und zog an ihrem Umhang und wünschte sich tief im Innern, dass Val sie einmal so ansähe. Eigentlich war sie aber davon überzeugt, dass sie ihren Liebsten irgendwann so weit bringen, ihn dazu bewegen könnte, sich so sehr in sie zu verlieben, dass er die Familientraditionen, die Sag«; und den Fluch vollkommen vergaß ...
Wenn sie nur
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