St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
Unstimmigkeiten gekommen war? Warum war er nicht zu ihr gekommen, um die guten Neuigkeiten mit ihr zu teilen? Doch durfte sie ihm deswegen wirklich Vorwürfe machen? In einem Moment wie diesem hatte sie kaum das Recht, in Selbstmitleid zu versinken. Val wirkte glücklich. Alle Anzeichen der tief sitzenden Traurigkeit waren aus seinen Zügen verschwunden.
Er stand breitbeinig da, schaute aufs Meer hinaus und genoss die salzige Brise.
»Ach, Kate«, sagte er, »du kannst dir nicht vorstellen, wie gut sich das anfühlt. Endlich von diesem teuflischen Humpeln befreit. Endlich wieder ein normaler Mann zu sein. Endlich wieder stark und vollständig zu sein ... Ich kann mich kaum zurückhalten und will all die Dinge nachholen, die ich mir so viele Jahre lang versagen musste.«
Er wirbelte zu ihr herum und ergriff ihre Hand: »Ich will alles ausprobieren, bevor dieses Wunder endet und alles wieder so wird wie früher!«
Das wird es schon nicht!, wollte sie ihm zurufen, unterließ es aber lieber. Wie könnte sie ihm so etwas versprechen? Die junge Frau hatte nicht die geringste Vorstellung von dem Zauber, den sie ihm auferlegt hatte; gar nicht erst zu reden davon, wie lange er anhalten würde. Vielleicht sollte sie ja reinen Tisch machen und ihm alles berichten, was sie getan hatte. Aber eigentlich schreckte sie davor zurück. Als ein St. Leger würde er niemals Hexerei und schwarze Magie gutheißen und wahrscheinlich so böse werden, dass ihre neu erstandene Freundschaft das kaum überleben konnte. Gut möglich auch, dass Val in seiner Rechtschaffenheit verlangte, dass der Zauber unbedingt rückgängig gemacht werden müsse, koste es, was es wolle.
Gerade das aber hätte Kate niemals übers Herz gebracht. Er wirkte jetzt so lebendig und so impulsiv, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Und das sollte sie ihm alles wieder nehmen?
Er ergriff ihre Hand und zog sie mit zum Haus. »Komm, Kate, wie beide müssen unbedingt feiern.« »Was hast du dir denn vorgestellt?«, fragte sie neugierig und hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. »Hm, muss mal überlegen ...« Der Arzt blieb unvermittelt stehen und machte ein verdutztes Gesicht, so als sei ihm gerade ein toller Einfall gekommen. »Tanzen! Ich geleite dich zu einem Ball, und wir tanzen die ganze Nacht.«
Kate lachte. »Du weißt doch, dass ich dem Tanzlehrer nicht sehr gut zugehört habe, den Effie mir einmal besorgt hat.«
Die junge Frau hatte in jungen Jahren nie einen Sinn darin gesehen, die ziemlich vertrackten Schrittfolgen zu lernen.
»Dann bringe ich es dir eben bei«, lachte Val. Er schlang ihr einen Arm um die Hüften und drehte sich mit ihr, bis dem Mädchen schwindlig wurde. Vielleicht lag das aber auch an seiner Nähe und der neuen Zärtlichkeit in seinem Blick.
»Erinnerst du dich noch an die Feen, von denen ich dir erzählt habe? Mit denen tanzen wir im Mondlicht. Und trinken dazu Perlwein.«
»Perlwein?«, lachte sie atemlos. »Nein, lieber nicht. Ich erinnere mich zu gut daran, welche Wirkung der auf mich hatte, als ich vor zwei Sommern auf dem Verlöbnis deiner Schwester Mariah ein oder zwei Gläser davon zu mir genommen habe.«
»Da warst du ein wenig beschwipst, meine Liebe«, lächelte er und tänzelte mit ihr in Richtung Haus. »Du wolltest die ganze Gesellschaft mit einem der rauen Seemannslieder unterhalten, die dir mein verruchter Onkel Hadrian beigebracht hat.«
»Erinner mich bloß nicht daran«, stöhnte die junge Frau. »Damals hast du mich, Gott sei Dank, davon abgehalten, mich vor allen zur Närrin zu machen. Etwas später habe ich dir, glaube ich, die Schuhe beschmutzt, und du hast mich nicht einmal ausgeschimpft.« »Wie könnte ich dir böse sein, Kate. Ich habe dich nach Hause gebracht, nach oben getragen und dich hingelegt in -« Er hielt inne, kam aus dem Takt und verstärkte den Griff um Kate. »In dein Bett«, beendete Val den Satz in eigenartigem Tonfall. Alle Sanftheit in seiner Miene verlor sich unter dem eindringlichen Blick seiner Augen. Rasch senkte er die Lider und ließ die junge Frau so unerwartet los, dass die ein, zwei Schritt zurücktaumelte, bis sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte. »Du hast sicher Recht«, erklärte der Arzt. »Keinen Sekt. Vielleicht besser Tee.«
Er marschierte ins Haus und schaute sich nicht einmal um, ob Kate ihn folgte.
Die junge Frau starrte ihm verwirrt hinterher, konnte seine Stimmungsschwankungen nicht verstehen und musste mit den Zweifeln fertig werden, die sie befallen
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