St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
Kristalls erlebt hatte. Neugierig folgte Kate dem Zauberer zum Kamin. »Was ist das für ein wunderliches Ding?«
»Das Ergebnis eines Versuchs, den ich zu meinen Lebzeiten durchführte. Da hatte ich mich nämlich der Alchemie zugewandt.«
Er nahm den Stein in die Hand. Sein Licht brannte so hell, dass Kate ihre Augen abschirmen musste. »Dieser Kristall gehörte zu einem viel größeren Stein, den ich selbst geschaffen habe. Aber dann ist leider etwas furchtbar schief gegangen. Es gab eine Explosion, und als der Rauch sich verzogen hatte, waren nur noch ein paar Teile übrig. Eines davon findet sich im Knauf des Familienschwerts. Und dieses hier habe ich behalten.« Er hielt ihr den Stein hin, aber als Kate ihn berühren wollte, riss er den Kristall zurück. »Dieser Stein birgt große Gefahren, besonders wenn er hinfällt und ein Stück von ihm abbricht. Dieser Splitter entwickelt nämlich, weil er vom Ganzen getrennt ist, die merkwürdigsten Eigenschaften und kann sogar den Tod bringen. Wer ihn berührt, der reagiert unvorhersehbar und schwankt in seinen Stimmungen von Minute zu Minute.«
»Warum habt Ihr so etwas Gefährliches denn überhaupt erfunden?«, wollte die junge Frau wissen. »Ich wette, als Alchimist wart Ihr vor allem darauf aus, Blei in Gold zu verwandeln, nicht wahr?«
»Nein, an Gold war mir nicht gelegen. Ich war schon vermögend genug. Ich erstrebte vielmehr die Unsterblichkeit.« Er lächelte sie spöttisch an. »Deswegen Obacht, mein Fräulein, wenn Ihr schwarze Magie einsetzt. Am Ende werden Eure Wünsche nämlich wahr. Doch nicht unbedingt so, wie Ihr Euch das vorgestellt habt.« Kate schüttelte sich und runzelte die Stirn. Aber sie kam nicht mehr dazu, ihn weiter zu befragen, denn er kehrte ihr den Rücken zu und schloss den Kristall wieder weg. Die einsetzende Dunkelheit erinnerte die junge Frau daran, dass sie sich mit Val an der Kirche treffen wollte. Was hatte er noch gesagt? Sie dürfe unter gar keinen Umständen nach Einbruch der Dunkelheit zu ihm kommen? Sie machte sich rasch auf den Weg und konnte Castle Leger verlassen, ohne jemandem zu begegnen. Doch hoch über ihr schwebte ein Gespenst über den Zinnen. Prospero verfolgte Kates weiteres Treiben und fragte sich, welcher Teufel ihn ritt, dass er sich gegen seine Gewohnheit wieder in die Angelegenheiten der Sterblichen einmischte.
Warum ausgerechnet dieses Mädchen? Ihm fiel darauf nur eine Antwort ein: »Ich muss den Verstand verloren haben.« Schließlich hatte er sich auch noch um andere Dinge zu kümmern.
Das Gefühl, das sich etwas Bedrohliches Castle Leger näherte, hatte sich noch nicht legen wollen. Prospero war auch noch nicht dahinter gekommen, was es sein könnte. Nur dass Kate irgendwie darin verstrickt war und in höchster Gefahr schwebte.
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12
Der Arzt schritt an der niedrigen Mauer entlang, die den Kirchhof umgab. Der Wind wehte ihm das schwarze Haar ins Gesicht. Er schob es immer wieder zurück und ließ dabei den Weg nicht aus den Augen, der mittlerweile fast ganz von der Abenddämmerung verschluckt worden war. Verdammte Kate, wo blieb sie bloß? Um sich zu beruhigen, betrachtete er die Kirche St. Gothian, die ihm seit Kindertagen immer Trost und Frieden geschenkt hatte.
Man hatte die Kirche auf einem alten Druiden-Altar errichtet, und dieser älteste Teil des Landes schien heute Abend mit Valentine in Verbindung treten zu wollen. Der Wind erzählte ihm Geschichten von wilden Barbaren, die das Dorf heimgesucht und die Frauen geraubt hatten. Der Arzt spürte, wie ihm das Blut durch die Adern rauschte.
Wozu sich mit einem Priester abmühen, die Wikinger hatten für ihr Treiben auch nicht erst einen Vikar gefragt. Valentine wollte nur noch das Mädchen mit dem pechschwarzen Haar und den flinken grauen Augen, den festen Brüsten und den einladenden weichen Hüften. Er würde sie sich über die Schulter we rfen und dann davontragen nach.
Der Arzt presste sich die Hände an die Schläfen, um diese
Bilder aus seinem Kopf zu zwingen. Er spürte die Halskette überdeutlich. Der Splitter rief Lust und Begierden in ihm hervor.
Der Kristall schwächte seine Abwehrkräfte immer mehr und zerstörte seinen Charakter, seine Würde und seine Ehre.
Doch als er eine Hand unter den Umhang schob und nach der Kette griff, schien diese sich nicht vom Fleck rühren zu wollen. Sich den rechten Arm auszur eißen, wäre einfacher gewesen.
Und überhaupt war der Stein sein Freund, schwächte ihn nicht, sondern
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