Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
Vom Netzwerk:
blaue Schuppe n … «
    Er verstand immer noch nicht. »Natarajas Schoßschlange«, erklärte ich. »Sie ist vor ein paar Wochen mal wieder ausgebüchst. Und ich habe sie in seinem Auftrag und auf Bitten der Gilde wieder eingefangen.« Es hätte allerdings den coolen Eindruck, den Derek von mir hatte, komplett ruiniert, wenn ich erwähnt hätte, dass ich dazu vier Tage lang, von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt, in einem Sumpf kampiert hatte, ohne mich auch nur einmal umziehen zu können.
    Ein eiskaltes Gefühl packte mich. Meine Nackenhaare richteten sich auf. Wir kamen um eine Ecke und sahen einen Vampir. Er huschte in der Gegenrichtung an der Decke entlang. Strangförmige Muskeln arbeiteten unter der straff gespannten Haut, die im Leben wahrscheinlich dunkel gewesen war, nun aber einen violetten Farbton angenommen hatte. Rowena sah ihn und winkte in seine Richtung, wie die Leute in früheren, technifizierteren Zeiten wohl einer Überwachungskamera zugewinkt hatten. Ich spürte, wie von ihrer Bewegung eine ganz bestimmte Magie ausging. Mir krampfte sich der Magen zusammen.
    Der Untote hing nun reglos da. Der Drang, ihn zu töten, war beinahe übermächtig. Es juckte mich in den Fingern, nach Slayer zu greifen, das in seiner Lederscheide auf meinem Rücken ruhte. Ich sah in die leeren, toten Augen und fragte mich, wie es wohl wäre, die Klinge meines Schwerts hineinzustoßen, bis in das Hirn dahinter. Noch lieber aber hätte ich den Menschen getötet, der diesen Vampir lenkte.
    Dann regte sich der Vampir plötzlich wieder und setzte seinen Weg fort. »Hier entlang, bitte«, sagte Rowena und schenkte uns ein weiteres berückendes Lächeln. Uns blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen, während der Vampir hinter der nächsten Ecke verschwand.
    Der Flur endete an einer großen Tür. Als wir näher kamen, öffneten sich die Flügeltüren. Dahinter gelangte man in Natarajas fünfeckigen Thronsaal, der wie ein Haschischtraum aus Tausendundeiner Nacht wirkte. Anmutige Statuen standen dort, in den Lichtschein magischer Lampen getaucht, der sich mit dem milden Widerschein von Natarajas goldenem Thron mischte. Über den italienischen Marmorboden lagen Samtkissen verteilt, und unbezahlbare Kunstwerke mühten sich, dieser entsetzlichen Opulenz wenigstens einen Hauch von Kultiviertheit beizusteuern. Nataraja selbst lümmelte auf seinem Thron wie ein Sultan aus dem Märchenlande.
    Der Scheißkerl trug wie stets Weiß, und seine Klamotten sahen aus, als hätten sie mindestens so viel gekostet, wie ich in einem halben Jahr verdiente. Es hatte doch was für sich, der Sultan zu sein.
    Sein Thron sah aus, als wäre er aus Gold. Er war wahrscheinlich tatsächlich aus Gold, doch weigerte sich mein Hirn zu akzeptieren, dass solche Unsummen dafür verbraten wurden, dass jemand seinen Allerwertesten darauf niederließ. Geformt wie ein aufrecht stehendes, der Länge nach entzweigeschnittenes Ei, ragte der Thron fast zwei Meter hoch empor. Stilisierte exotische Tiere, die man früher für Fabelwesen gehalten hatte und von denen man inzwischen wusste, dass sie äußerst gefährlich waren, überzogen die gesamte äußere wie innere Fläche des Eis, und die kostbaren Edelsteine, die ihre Augen darstellten, funkelten im Licht zahlreicher Lampen.
    Nataraja hatte einen Ellbogen auf ein weißes Kissen gestützt. Sein Alter war schwer zu schätzen. Seinen Gesichtszügen nach konnte er nicht viel älter als vierzig sein, doch sichtbare Eindrücke hatten hier jede Bedeutung verloren. Er kam einem alt vor, viel älter als ich. Zweihundert oder dreihundert Jahre alt, vielleicht gar noch älter. Ein paar Jahre zuvor hätte ich eine derartige Langlebigkeit noch für unmöglich gehalten, doch meine Jahre als Söldnerin hatten mich gelehrt, sehr vorsichtig mit Wörtern wie »niemals« oder »unmöglich« umzugehen.
    Nataraja sah mich an, leicht belustigt ob meiner Anwesenheit hier auf seinem heimischen Parkett. Von olivefarbenem Teint und schlanker Gestalt, strahlte er Macht aus, wie manche Männer Kraft ausstrahlten. Sein Haar, kohlrabenschwarz und glatt, umrahmte ein kantiges Gesicht mit einer breiten, hohen Stirn, markanten Wangenknochen und einem fliehenden Kinn, das von einem sorgfältig gestutzten, kurzen Bart kaschiert wurde. Von seinen Augen, sehr dunkel und von durchdringendem Blick, ging eine geradezu magnetische Wirkung aus. Wenn er einen Menschen ansah, schien er tief in ihn hineinzusehen, die verborgenen Gedanken und geheimen Ideen zu

Weitere Kostenlose Bücher