Stadt, Land, Kuss
schon verstehen.« Ich weiß, Fifi meint es gut, allerdings versucht sie, mich zu verplanen, und das werde ich nicht zulassen.
»Wir werden sehen«, entgegnet Fifi. »Aber wo wir schon einmal hier sind, sollten wir uns auch nützlich machen. Wie können wir helfen?«
»Sie können abtrocknen, Fifi«, antwortet Nigel von seinem Posten am Spülbecken aus.
»Und wie sieht es oben im Herrenhaus aus?«, fragt Izzy, während sie Fifi ein Spültuch gibt.
»Die Praxis ist geschlossen«, erklärt Fifi. »Die Klinik in Westleigh nimmt alle Pferdepatienten von Talyton Manor auf, die Nutztiere werden vom nächsten Großtierarzt betreut, und soweit ich weiß, soll sich das Otter House um die Haustiere kümmern – falls Sie damit einverstanden sind, Maz.«
»Natürlich«, sage ich.
»Sind Sie sicher, dass Sie das auch schaffen?« Izzy seufzt. »Ich weiß schon, dumme Frage, dumme Antwort …«
»Und was kann ich tun?«, fragt Frances. »Soll ich den Empfang übernehmen?«
»Wir können Sie aber nicht dafür bezahlen«, erwidert Nigel, ziemlich unhöflich für mein Empfinden.
»Ich weiß. Das tue ich aus reiner Hilfsbereitschaft.« Frances legt eine Hand auf ihren Busen. »Ich liebe Krisen. « Hastig korrigiert sie sich. »Na ja, nicht die schlimmen Dinge daran … dass der arme Alex verletzt wurde, zum Beispiel.«
»Ich hoffe doch sehr, dass er wieder gesund wird«, sagt Fifi, doch sie runzelt skeptisch die Stirn.
»Der alte Mr Fox-Gifford schwebte wochenlang zwischen Leben und Tod, nachdem der Stier ihn erwischt hatte, aber er hat es auch geschafft«, antwortet Frances.
»Alex kann von Glück sagen, dass er aus einer robusten Familie kommt – sein Vater hat die Konstitution eines Ochsen«, bestätigt Fifi.
Während ich zuhöre, wie Fifi und Frances Mutmaßungen über Alex’ Gesundheitszustand anstellen, ballen sich meine Hände zu festen, schmerzhaften Fäusten zusammen. Izzy drängt mich nach draußen, und ihre Lippen kräuseln sich zu einem Lächeln.
»Wenn sich diese beiden alten Schachteln schon nicht selbst helfen können, dann sollen sie sich wenigstens bei uns nützlich machen. Und falls das jetzt respektlos klingt … genauso ist es auch gemeint. Einzeln sind sie gar nicht so übel, aber zusammen sind sie eine Plage. Tut mir leid, Maz. Ihr Gerede über Alex hat Sie ziemlich aufgewühlt, was?«
Trotzdem erkenne ich allmählich auch die guten Seiten am Klatsch und Tratsch in Talyton. Sobald Frances und Fifi von dem Brand erfahren hatten, sind sie uns zu Hilfe geeilt, und wenn ich mir die Station so ansehe, brauchen wir alle Hilfe, die wir kriegen können.
Als wir im Krankenhaus ankommen, lasse ich Izzy das Parkticket besorgen und mache mich gleich auf den Weg zur Intensivstation. Vor dem Eingang sitzt eine Schwester hinter ihrem Empfangstresen. Sie ist älter als ich, Mitte vierzig, schätze ich, und ihre Uniform ist ihr ein paar Nummern zu groß, als hätte sie in letzter Zeit stark abgenommen. Ihr kurzes Haar ist blondiert mit dunklen Ansätzen.
»Ich suche«, meine Stimme zittert so stark, dass ich den Namen fast nicht aussprechen kann, »Alex Fox-Gifford. «
»Sind Sie eine Angehörige?«, fragt sie freundlich und mustert mich mit ruhigen grauen Augen. Da ich nicht antworte, variiert sie ihre Frage, wie wenn ich etwas schwer von Begriff wäre: »Sind Sie mit ihm verwandt? «
Ich sage das Erste, was mir in den Sinn kommt. »Ich bin seine Verlobte.«
»Ich bin Debbie«, sagt sie, offenbar mit dieser Antwort zufrieden. »Gehen Sie einfach durch«, fährt sie fort, nachdem sie mich auf Alex’ Anblick vorbereitet hat, »er liegt im zweiten Bett links.«
Kurz vorher zögere ich. Der Mann in dem Bett kann nicht Alex sein. Er sieht zwar aus wie Alex, aber er liegt so still da. Ich gehe einen Schritt näher heran. Seine Lippen und Wangen sind leichenblass, dunkle Stoppeln überziehen seine Haut, und an der Schläfe hat er einen Bluterguss. Seine Hände liegen reglos auf dem Laken.
»Oh Alex …«, flüstere ich. Ich strecke die Hand aus und streichle mit den Fingerspitzen über seine Wange. Die Haut fühlt sich kühl an. Er zeigt keine Reaktion, nicht das leiseste Flattern der Augenlider. Er atmet nicht einmal selbst – das macht eine Maschine für ihn.
»Du fauler Kerl«, schimpfe ich liebevoll, doch meine Zähne schmerzen, so fest muss ich sie zusammenbeißen, um nicht weinend zusammenzubrechen. »Du könntest dir ruhig ein bisschen mehr Mühe geben.« Meine Hände verkrampfen sich, am liebsten
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