Stadt, Land, Kuss
Gehirnerschütterung habe.«
»Gehirnerschütterung? Du warst stundenlang bewusstlos – nein, tagelang sogar. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Ich bin fast umgekommen vor Sorge.« Ich senke die Stimme. »Du hast mir das Leben gerettet.«
Alex runzelt die Stirn. »Wirklich?«
»Ich habe mich benommen wie der letzte Idiot. Ich bin einfach ins Haus gerannt, ohne nachzudenken.«
»Was ist mit dir?« Er schaut auf meine Verbände. »Deine Arme?«
»Das sieht schlimmer aus, als es ist«, antworte ich.
»Und Gloria?«, fragt er. »Was ist mit Gloria? Ich kann mich an nichts mehr erinnern, nachdem …«
»Sie ist im Feuer umgekommen«, sage ich ruhig. »Sie hat den Brand selbst gelegt.« Sie hat eine Menge Pillen geschluckt, auch die von Ginge, wie sich herausgestellt hat, obwohl sie bei ihr nicht die geringste Wirkung gehabt haben dürften. Anschließend hat sie mit Hilfe von Feueranzündern und Paraffin mehrere kleine Brände gelegt. Selbst wenn es mir gelungen wäre, sie aus dem Haus zu holen, wäre sie wahrscheinlich an der Überdosis gestorben, heißt es. »Wir haben die meisten ihrer Fundtiere gerettet, aber das Cottage ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt.«
»Ist sie schon beerdigt worden?«, fragt Alex.
»Das kann ich herausfinden, wenn du willst.«
»Ich würde gern hingehen, wenn die Beerdigung nicht schon vorbei ist.«
»Ich sage dir Bescheid«, entgegne ich, und mein schlechtes Gewissen regt sich, weil ich selbst gar nicht an Glorias Beerdigung gedacht habe. Alex scheint über Glorias Tod genauso bestürzt zu sein, wie ich es war. Sie war ein Original, und sie hat unser beider Leben auf ihre ganz eigene Weise berührt.
»So, das reicht für heute«, unterbricht uns Debbie. »Sie müssen sich Ihre Kräfte einteilen, Alex – wer weiß, wie viele Ihrer Freundinnen heute noch auftauchen.«
»Maz ist nicht meine Freundin«, erwidert Alex. »Sie ist meine Verlobte.« Mit einem leisen Lachen sieht er mich an. »Das hat sie Ihnen doch erzählt, Debbie, nicht wahr?« Er will mich nur necken, denke ich und versuche angestrengt, nicht rot zu werden, als er fortfährt: »Wollen Sie mich jetzt waschen?«
»Davon träumen Sie wohl«, scherzt Debbie. »Sie sind groß und hässlich genug, um allein zu duschen.«
Alex sieht mich an. »Wann kommst du wieder, Maz?«
»Äh … ich weiß nicht«, stottere ich. »Soll ich denn …?«
»Natürlich sollst du.« Da, schon wieder. Er ist wieder ganz der Alte. »Nach einer halben Stunde Tagesprogramm ist mein Bedarf an Fernsehen gedeckt, und diese ewigen Weintrauben kann ich auch nicht ausstehen.«
»Es tut mir außerordentlich leid, dass Sie sich bei uns langweilen«, sagt Debbie mit gespielter Strenge, »aber Sie haben eine Kopfverletzung. Wir können Sie nicht einfach nach Hause lassen.«
»Wie lange muss er denn noch hierbleiben?«, frage ich.
»So lange er sich gut benimmt. Und wenn er nach Hause darf, sollte er nicht gleich wieder durch die Gegend fahren und seinen Arm in einen Kuhhintern schieben oder mit Schafen ringen. Er muss sich noch mindestens ein bis zwei Wochen schonen.«
Alex nimmt meine Hand, verschränkt seine Finger mit meinen und drückt sie liebevoll. »Könntest du mir einen Gefallen tun?«
»Kommt darauf an«, antworte ich.
»Hören Sie nicht auf ihn, Maz«, meint Debbie. »Ich habe ihm schon gesagt, dass sein Pferd ihn nicht besuchen darf.«
»Darum geht es nicht«, sagt er. »Könntest du in die Stadt fahren und mir ein neues Handy kaufen? Meine Mutter gibt mir keins. Sie will nicht, dass ich mich aufrege. «
»Ich bringe dir morgen eins mit.« Unentschlossen stehe ich neben Alex’ Bett. Am liebsten würde ich bleiben.
»Na los, gehen Sie schon.« Debbie scheucht mich weg, und endlich gelingt es mir, mich loszureißen. Ich wende mich ab, um meine Freudentränen zu verbergen. Nach einem kurzen Abstecher zu den Toiletten, wo ich mir das Gesicht wasche, gehe ich nach draußen auf den Parkplatz, wo Frances schon auf mich wartet.
»Darf ich mir kurz Ihr Handy ausleihen?«, frage ich, als ich zu ihr ins Auto steige. Am liebsten würde ich der ganzen Welt verkünden, dass Alex wieder gesund wird, doch für den Anfang müssen Emma und Izzy genügen.
»Bedienen Sie sich«, sagt Frances und nickt zu dem riesigen Exemplar der ersten oder zweiten Handygeneration hinüber, das obenauf in ihrer Handtasche liegt.
»Ich bezahle das Gespräch natürlich«, entgegne ich, als mir einfällt, dass die arme Frances seit drei Tagen ohne Gehalt
Weitere Kostenlose Bücher