Stadt, Land, Kuss
arbeitet. So kann das nicht länger weitergehen. »Hallo? Izzy? Ich habe fantastische Neuigkeiten.« Ich versuche, möglichst beherrscht zu klingen, aber es ist ja tatsächlich eine fantastische, wunderbare, unglaubliche Nachricht. »Er ist wieder aufgewacht.«
Izzy klingt etwas verwirrt. »Woher wissen Sie das?«
»Weil ich gerade mit ihm gesprochen habe.«
»Mit Harry?«
»Mit Alex.«
Izzy kichert. »Manchmal bin ich wirklich etwas schwer von Begriff. Das freut mich. Harry ist auch wieder aufgewacht und bestens in Form. Der kleine Racker hat gerade versucht, mich zu beißen.«
Ich betrachte Alex’ Aufwachen als ein gutes Omen und überrede Frances, bei Glorias Cottage anzuhalten und nach der Falle zu sehen. Sie ist leer, und von Ginge ist weit und breit nichts zu sehen, aber ich werde nicht aufgeben, bis ich weiß, was aus ihm geworden ist.
»›Wunderheilung im Otter House‹ – ich sehe die Schlagzeile schon vor mir«, sagt Ally und gibt mir eine Flasche Wein. »Zwei Wunder an einem Tag. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin«, fährt sie fort, was mir bei einer Frau, deren Lebensunterhalt von ihrer Ausdrucksfähigkeit abhängt, etwas problematisch erscheint. »Ich werde dafür sorgen, dass die ganze Stadt erfährt, was Sie getan haben. Wenn ich mir vorstelle, dass er um ein Haar«, ihre Augen füllen sich mit Tränen, »lebendig zerquetscht worden wäre.«
Ich reiche ihr über den Tisch im Sprechzimmer hinweg den Schuhkarton. Harry funkelt mich boshaft an, als ich den Deckel anhebe, um mich zu vergewissern, dass es ihm tatsächlich gut geht.
»Muss ich ihn noch einmal zur Kontrolle herbringen? «
»Nur wenn Sie sich Sorgen um ihn machen.«
»Ich mache mir immer Sorgen um ihn. Ich schwöre Ihnen, ich werde ihn nie wieder über Nacht draußen im Schuppen lassen. Für Juni muss es ungewöhnlich kalt gewesen sein.«
»Wieso war er überhaupt im Schuppen?« Ich kann nicht glauben, dass jemand, der so vernarrt in seinen Hamster ist wie Ally, ihn aus dem Haus verbannen würde.
»Mein Mann droht mir mit Scheidung. Wir können nicht mehr schlafen, weil Harry die ganze Nacht in seinem Rad herumrennt.«
»Warum nehmen Sie es nicht einfach aus dem Käfig?«, schlage ich hilfsbereit vor.
»Das könnte ich dem armen Kerl nicht antun. Er liebt sein Rad über alles. Nein, ich kaufe uns jetzt Ohrstöpsel. « Ally lächelt. »Auf diese Weise rette ich Harry und meine Ehe. Maz, wie kann ich mich dafür nur erkenntlich zeigen? Kann ich etwas für die Tiere tun, die Sie aus dem Feuer gerettet haben? Soll ich Geld für ihre Pflege sammeln? Fällt Ihnen irgendetwas ein?«
»Sie könnten einen zweiten Hamster adoptieren oder ein anderes kleines Nagetier.«
»Oh nein, das wäre viel zu stressig … Harry reicht mir vollauf. Gibt es nicht noch etwas anderes, was ich für Sie tun kann?«
»Da gäbe es tatsächlich etwas«, antworte ich und denke an Raffles, Ugli-dog, Petra, Jude und all die Tiere, die hinten in ihren Käfigen sitzen und dringend ein schönes neues Zuhause brauchen.
Sie leiden darunter, eingesperrt zu sein. Abends gehe ich noch einmal auf die Station und nehme die Hunde nacheinander mit nach draußen in den Garten – Raffles und Ugli-dog dürfen zusammen raus, aber ich will nicht das Risiko eingehen, Petra mit einem der anderen Hunde zusammenzubringen. Jetzt, wo Emma wieder da ist, vermisse ich Miffs Gesellschaft ein wenig. Ich bin versucht, Raffles mit nach oben zu nehmen, vor allem als er mich mit seinen verzweifelten braunen Augen ansieht, während ich die Käfigtür hinter ihm schließe, aber das erscheint mir den anderen gegenüber nicht fair. Also lasse ich das Radio leise laufen und gebe jedem von ihnen noch einen Hundekuchen, bevor ich das Licht lösche.
»Gute Nacht, Jungs«, sage ich leise. Alles ist still, und ich kann mich – abgesehen von dem anhaltenden stechenden Schmerz in meinen Armen – endlich entspannen und nachdenken. Wie soll ich Emma davon überzeugen, das Otter House nicht zu schließen? Und was mache ich mit Alex?
20
Eine ungewöhnliche Familie
»Gehst du heute wieder zu Alex?«, fragt Emma zwischen zwei Patienten am nächsten Morgen. Sie wirkt glücklicher als gestern, finde ich. Vielleicht hat sie ihre Meinung geändert und will die Praxis doch nicht schließen.
»Siehst du das nicht?«, mischt sich Izzy ein. »Sie hat sich doch extra aufgebrezelt.«
»Izzy! Ich habe ihm versprochen, ein paar Sachen mitzunehmen, wenn ich doch ohnehin ins
Weitere Kostenlose Bücher