Stadt, Land, Kuss
sehe, Sie sind beleidigt – nun, ich nehme kein Blatt vor den Mund, und wenn das jemandem nicht gefällt, kann ich auch nichts daran ändern. Außerdem brauchen Sie sich gar nicht zu beschweren. So viel Gratiswerbung auf der ersten Seite des Chronicle bekommt man nicht jeden Tag.« Er dreht sich zu Fifi um. »Lassen Sie uns das jetzt hinter uns bringen. Wir wollen doch nicht zu spät zum Mittagessen kommen. Elsa kocht.«
Ein Steward löst das Absperrseil, und die Kandidaten strömen in den Ring, wo sie ihre Körbe, Boxen und Käfige auf Strohballen abstellen, die in der Mitte aufgereiht sind. Zusammen mit Fifi und dem alten Fox-Gifford beobachte ich eine Frau in kurzem Rock und hohen Stiefeln, die ihre ellenlangen gebräunten Beine zur Schau stellt, während sie mit einem großen schwarzen Pudel auf und ab marschiert.
»Eine unserer Kundinnen«, bemerkt der alte Fox-Gifford.
»Das ist Aurora. Ihr gehört die Boutique in der Stadt, Auroras Schatzhöhle«, informiert mich Fifi.
Die Boutique ist mir schon aufgefallen. Die Schaufensterpuppe trägt ein rotes T-Shirt mit dem silbernen Schriftzug BITCH quer über der Brust.
»Das da mit dem Labradorwelpen ist einer der Pitt-Jungen«, fährt der alte Fox-Gifford fort.
»Einer von unseren Kunden, wenn ich mich nicht irre«, sage ich. »Oh, und da ist ja auch Cheryl.«
»Sie kam zu uns, ehe Sie ihr eine Gehirnwäsche verpasst haben.«
»Sie fangen an einem Ende der Reihe an, Fox-Gifford, und Maz am anderen«, mischt sich Fifi hastig ein. »Geben Sie bitte jedem Tier eine Note von eins bis zehn. Der Steward und ich schreiben alles auf, und wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt.«
Klingt fair, denke ich, dankbar, dass mir so weiterer Smalltalk mit dem alten Fox-Gifford erspart bleibt.
Das Angorakaninchen mit seinen langen Schlappohren und dem mit funkelndem Strass verzierten Geschirr ist einfach zu goldig. Es sitzt auf einem paillettenbesetzten Seidenkissen, und neben ihm steht ein Junge, der sich immer wieder hastig vorbeugt, um sein wuscheliges Fell mit einer Bürste zu glätten.
»Wie heißt es denn?«, frage ich den Jungen.
»Dobby. Wie der Hauself in Harry Potter .«
»Ohne Dobby wäre mein Paul jetzt tot.« Ich vermute, es ist die Mutter des Jungen, die sich von außerhalb der Absperrung einmischt. »Letztes Jahr hat man bei ihm Leukämie festgestellt.«
»Das tut mir sehr leid.«
»Aber jetzt ist er wieder gesund, nicht wahr, Paul?«
»Es geht mir schon viel besser«, bestätigt der Junge, und ich gebe ihm die vollen zehn Punkte.
»Sind Sie sicher?«, flüstert Fifi, als sie zu mir kommt, um die Punktzahl zu notieren. »Er hat schon letztes Jahr gewonnen.«
»Aber es ist so eine traurige Geschichte«, entgegne ich. »Er hatte Leukämie.«
Fifi lacht. »Sie können doch nicht ernsthaft glauben, was die Ashfields Ihnen erzählen – letztes Jahr war es eine Lebertransplantation.«
»Dann ist der Junge gar nicht krank?« Was ist los mit diesen Leuten? Das ist doch nur eine Landwirtschaftsschau, eher eine Gameshow wie im Fernsehen und nicht Crufts, die renommierte Hundeschau. »Ich dachte, das Ganze sei bloß ein Spaß.«
»Es ist eine Nebensächlichkeit«, sagt der alte Fox-Gifford, der plötzlich neben mir steht, »genau wie das Otter House. Wir sind die Hauptattraktion im Ort.« Er reibt sich die Hände. »Sind wir durch?«
Fifi blickt auf den Wertungsbogen auf ihrem Klemmbrett.
»Das Ashfield-Kaninchen hat die meisten Punkte.«
»Ein Kaninchen?« Der alte Fox-Gifford bohrt die Spitze seines Gehstocks in den matschigen Boden. »Ungeziefer. Auf unserem Grund und Boden knallen wir die verdammten Biester ab.«
»Pst«, versucht Fifi ihn zu bremsen, aber er macht keine Anstalten, die Stimme zu senken.
»Erklären Sie Aurora zur Siegerin. Eine tolle Hündin.« Er deutet mit dem Stock in ihre Richtung. »Seht Euch nur mal die Läufe an.«
»Und wieso nicht das Kaninchen?« Ich gebe mich nicht geschlagen. Schließlich sollen wir gemeinsam entscheiden, und ich sehe nicht ein, warum der alte Fox-Gifford einfach seinen Willen durchsetzen sollte.
»Wie wäre es mit einem Kompromiss?«, schlägt Fifi vor, um den Streit zwischen ihnen zu schlichten. »Was halten Sie von Cheryls Katze?«
»Auf gar keinen Fall«, erwidert der alte Fox-Gifford. »Sie schielt, wie alle ihre dämlichen Viecher.«
»Na gut, dann eben das Tabby-Kätzchen.« Fifi fasst den Steward beim Arm. »Wir verkünden den Sieger und verteilen die Schleifen, und dann gehen Sie mit uns
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