Star Trek Voyager06 - Die Ermordete Sonn
da.
Typisch verunisch, dachte Chakotay geistesabwesend. Keine Dramatik.
Der Staub von Jahrhunderten schwebte nach draußen, bildete eine dünne Wolke im Sonnenschein.
»Was berichten Ihre Legenden vom Innern des Ersten Ortes?« fragte Chakotay, als Nata und er in die Dunkelheit spähten. Seine Stimme klang gedämpft und ehrfürchtig, und das erschien durchaus angemessen.
Nata sprach in einem ähnlichen Tonfall, als sie erwiderte: »Was zuerst kommt, steht auch am Schluß.«
Sie reckte den langen Hals, um mehr zu sehen, schnupperte in der staubigen Luft. »Wir beginnen mit der Seele, und alles endet mit der Seele. Unsere Toten wurden im Schatten des Ersten Ortes beigesetzt.
Offenbar haben wir die Verstorbenen hierhergebracht - ins Herz des Ersten Ortes -, bevor das Wissen um den Zugang verlorenging. Auch hier gilt: Gehen Sie vorsichtig, mein Freund.«
Im Anschluß an diese Worte trat sie durch die Öffnung, bewegte sich dabei mit einer Mischung aus Würde und tiefem Respekt. Kaum hatte sie den Zugang passiert, flammte ein Leuchtsegment auf. Sein Licht erhellte einen Korridor, dessen Breite Chakotay auf mindestens fünfzehn Meter schätzte. Im matten Schein sah er etwas, das Nata bereits gerochen hatte: Verunische Leichen säumten die Wände, und jede von ihnen lag auf einer schmalen Pritsche. Erstaunlicherweise stank es nicht nach Verwesung. Die Luft im Kolonieschiff erwies sich als kühl und trocken, was Chakotay als sehr willkommene Abwechselung empfand. Die Leichen waren nicht verwest, sondern ausgetrocknet. Hier und dort sah der Erste Offizier Skelette, und auf manchen Pritschen lag nur mehr Staub.
Chakotays Blick glitt über zahllose mumifizierte Tote, und Unbehagen regte sich in ihm. Bei seinem Volk existierten viele verschiedene Theorien in Hinsicht auf den Respekt, den Tote verdienten. Und fast alle diese Theorien prophezeiten Unheil für den Fall von Respektlosigkeit.
Er schluckte. Es widerstrebte ihm plötzlich, Luft zu holen, denn er wußte: Mit jedem Atemzug sog er sich den Staub von Toten in die Lungen. Andererseits mußte er atmen, wenn er diesen verstorbenen Veruniern nicht schon bald im Jenseits Gesellschaft leisten wollte.
Chakotay nahm sich ein Beispiel an Nata, die nur sehr gerührt zu sein schien, ohne Furcht zu empfinden.
Offenbar gab es bei den Veruniern keine Gespenster.
Rasch schloß er zu ihr auf und zog so unauffällig wie möglich seinen Phaser.
»Ist das eine Waffe?« fragte die Viha und senkte den Kopf, um sich das Etwas in Chakotays Hand aus der Nähe anzusehen. Dadurch geriet der Anhänger am Hals in Bewegung, das Symbol ihres Status - er baumelte hin und her.
Chakotay errötete wie ein kleiner Junge, den man mit einem Spielzeug in der Schule erwischt hatte. »Ja«, gestand er.
»Ich glaube, so etwas brauchen Sie hier nicht«, sagte Nata. Sie hob den Kopf wieder, bis er fast einen Meter über dem Chakotays schwebte. Mit langen, geschmeidigen Schritten ging sie weiter.
»Ich weiß, daß Ihr Volk sehr friedlich ist - es sei denn, es muß sich verteidigen und zur Wehr setzen«, sagte der Mensch. »Aber wir wissen nichts vom Temperament Ihrer Ahnen. Und wenn dies ein Kolonieschiff ist, wie ich noch immer vermute, so verfügt es bestimmt über Möglichkeiten, mit Feinden fertig zu werden - um die Kolonisten zu schützen. Es ist nur logisch, auf alles vorbereitet zu sein.
Vielleicht gibt es hier Fallen.«
Nata schnaufte und klang dadurch fast wie ein Pferd. »Ich kenne die Geschichten, Freund Chakotay.
Und sie berichten nicht von Fallen.«
Der Erste Offizier runzelte die Stirn. Zugegeben: Sie hatten das Schiff nicht einfach so betreten können.
Es war mit einem Sensorfeld geschützt, das nur auf eine verunische Hand reagierte. Chakotay zweifelte kaum daran, daß er allein mit dem Einsatz von Phaserenergie imstande gewesen wäre, ins Schiff zu gelangen. Vielleicht haben die alten Verunier weitere Sicherheitsmaßnahmen nicht für nötig gehalten, dachte er.
Doch der Instinkt teilte ihm etwas anderes mit. Die Verunier waren in vielerlei Hinsicht einzigartig, aber sie wiesen auch große Ähnlichkeiten mit Chakotays Volk auf. Viele Indianerstämme beschriften den Weg des Friedens, doch in den Adern des Ersten Offiziers floß das Blut vieler Häuptlinge, und ihre Weisheit warnte ihn.
Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Vielleicht ist >Falle< nicht das richtige Wort. Was sagen die Geschichten über… Prüfungen und Tests?«
Daraufhin blieb Nata stehen. Sie blickte auf Chakotay
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