Staustufe (German Edition)
hintangestellt. Ist mir egal, wo der Chef die Leute für seine SoKo hernimmt. Aber ich brauche zwei Ermittlungsbeamte, mindestens, Punkt, Schluss, aus.»
«Woher wusste ich das nur?», lachte Hildchen durchs Telefon und versprach, ihr Möglichstes zu tun.
Winter warf einen Blick ins Internet. Es stellte sich heraus, dass der «CDU-Typ» kein Geringerer war als der hessische Kultusminister, ein biederer, Dialekt sprechender Familienvater. Ein Zimmermädchen hatte ihn heute früh in einem Frankfurter Hotelzimmer tot aufgefunden – mit einer Schlinge um den Hals und herumliegenden Sado-Maso-Utensilien. Ein gefundenes Fressen für die Presse. Da konnte das Mainmädchen natürlich nicht mithalten.
Dummerweise war kein Gerd da, bei dem Winter seinem Ärger Luft machen konnte. Er wollte gerade im Frust versinken, da traf eine Mail vom Erkennungsdienst ein, Betreff: Mädchenmord.
Es gab eine Spur. Eine so gute, dass Winter sie Fock später genüsslich vorhalten konnte. Damit gab es nämlich überhaupt keine Rechtfertigung mehr, seine Mordkommission nicht mit der Mindestzahl an Mitarbeitern auszustatten. Winter atmete durch.
Die Zeit bis zehn Uhr nutzte er, um per GoogleEarth und anderen unorthodoxen Ermittlungsmethoden ein paar Details in Erfahrung zu bringen, die er noch brauchte, um Fock gerüstet entgegenzutreten.
Es waren nur wenige, die sich um zehn in Sachen «Mainmädchen» im Konferenzraum einfanden. Die anderen Fälle banden offenbar viel Personal. Vom Erkennungsdienst war nur Pietsch gekommen, hing lang, dürr und schlaff mit der üblichen kalten Zigarette zwischen den Lippen auf seinem Stuhl, die Augen halb geschlossen. Pietsch hatte die Nacht über Dienst gehabt und heute Morgen schon zwei Sitzungen hinter sich. Wegen des Engpasses bei der Kripo hatte Fock für das «Mainmädchen» Heinrich vom 17. Revier ausgeliehen, der gestern schon mit dem Fall befasst gewesen war.
Aksoy vom KDD war auch da, saß aber nicht neben Heinrich, ihrem Zufallspartner von gestern, sondern allein hinten an der Wand. Aksoy hatte heute eigentlich frei und war quasi privat hier. Sie hatte Winter vorhin im Büro angerufen und vorgeschlagen, zur Besprechung zu kommen. Winter war der Ehrgeiz dieser Frau unheimlich. Andererseits waren Mitarbeiter für das Mainmädchen derart Mangelware, dass ihm kaum etwas anderes übrigblieb, als Aksoys Unterstützung dankend anzunehmen.
Der Chef des K 11, Fock, wirkte hektisch und mit den Gedanken woanders. Wahrscheinlich weil er gegen Mittag an einer Pressekonferenz teilnehmen würde. Pressekonferenzen waren für Fock die Höhepunkte seiner Arbeit. Er trug einen dunklen Maßanzug mit roter Fliege und einem roten Tuch in der Sakkotasche, was vorzüglich zu seinem Silberhaar und dem silbernen Schnauz passte. Die edle Kleidung war der Ausgleich für den nicht vorhandenen Kriminalratstitel, nach dem er sich sehnte. Fock ließ es sich nicht nehmen, als offizieller Leiter der Mordkommission die Sitzung zu eröffnen. «Das Wichtigste an der Kriminalistik», dozierte er stehend, «ist die Kunst, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen. Das Wesentliche hier wäre: Wir haben eine unidentifizierte Wasserleiche. Eine Tote, die anscheinend von niemandem vermisst wird und deren zerstörtes Gesicht wir niemals werden rekonstruieren können.» Winter ahnte Übles. Und tatsächlich ging es genau seiner Ahnung gemäß weiter. «Meine Herren, ich prognostiziere: Wenn sich nicht wider Erwarten noch ein Angehöriger meldet, wird dieser Fall zu den wenigen Tötungsdelikten gehören, die wir nicht aufklären können. Da würde auch der größte Personaleinsatz nichts helfen. Wir sollten unsere knappen Mittel hier also nur sehr gezielt und sparsam einsetzen.»
«Ich würde das etwas anders sehen», meldete sich eine ruhige Stimme aus dem Hintergrund. Es war die Aksoy. Winter grinste. Die Aksoy fühlte sich wahrscheinlich nur deshalb zu Widerspruch provoziert, weil Fock die Anwesenden mit «meine Herren» angesprochen hatte. Aber Winter war es sehr recht, dass sie hier eingriff und zur Abwechslung nun Fock mit ihrem feministischen Querulantentum piesackte.
«Erinnern Sie sich noch an die misshandelte Mädchenleiche in Nied vor einigen Jahren?», fuhr sie seelenruhig fort. Fock war so konsterniert von ihrer Frechheit und dem Themensprung, dass er keinen Ton von sich gab. «Damals hatten wir ein Gesicht», erklärte Aksoy, «aber das Mädchen wurde dennoch niemals identifiziert. Der oder die Täter hatten das
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