Steinhauer, Franziska
erzählen, er habe sie ins Widum bestellt, um sie zu vergewaltigen. Der Pfarrer ist neu im Dorf. Er kennt Berta nicht, weiß nicht, wie die Leute im Ort auf solch eine Anschuldigung reagieren würden. Also beschließt er, den Mord zu vertuschen. Er schickt Berta nach Hause, lässt seinem Besuch – vielleicht wirklich eine schöne Frau – genug Zeit, das Tal zu verlassen, während er die Spuren eines Einbruchs fingiert. So war’s!“ Zufrieden blickte er in die verblüfften Gesichter der beiden Frauen.
Langsam nickte Annemarie.
Tatsächlich.
So könnte es gewesen sein.
Mendetti wurde auf Italienisch von einem Beamten angesprochen, der ihm auf dem Gang entgegenkam. Er nickte dem Kollegen kurz zu und drehte sich abrupt zu Maja Klapproth um.
„Maja – hast du noch etwas Zeit? Ich glaube, das solltest du dir vor deiner Abreise unbedingt noch ansehen!“
Sie gingen zu seinem Wagen im Hof.
„Ich wollte es erst gar nicht glauben“, erklärte Mendetti.
„Nur gut, dass wir Wachen vor dem Haus der Sekte postiert hatten!“
„Julian und Mario?“, fragte Klapproth hoffnungsvoll, doch der Commissario schüttelte bedauernd den Kopf.
„Nein. Tut mir leid. Von den beiden fehlt noch immer jede Spur.“
Es dauerte nicht lange, und Mendetti hielt vor dem Haupthaus der Kinder Lucifers.
Noch immer hing Brandgeruch über dem Gelände. „Unter den Resten des Nebengebäudes wurden keinerlei menschliche Überreste gefunden“, informierte sie ein Mitarbeiter.
„Wenigstens wissen wir nun, dass sie dort nicht umgekommen sind!“ Klapproth bemühte sich, erleichtert zu klingen, wusste aber, dass dieses Untersuchungsergebnis Dr. Glück nicht genügen würde.
„Dieses Gebäude wurde vor dem Einzug der Kinder Lucifers gründlich umgebaut. Moderne Überwachungstechnik diente dabei nicht nur dem Schutz vor Einbrechern und allzu neugierigen Besuchern aus dem Dorf. Das gesamte Haus konnte auf diese Weise kontrolliert werden. Die Bilder der Kameras liefen auf zwei Monitoren zusammen. Dabei fiel unseren Techniker auf, dass sich ein Bild nie veränderte und auch keiner unserer Beamten jemals darauf zu erkennen war. Nachdem die aber das ganze Haus untersuchten, hätte wenigsten ab und zu einer von ihnen vom Objektiv erfasst werden müssen. Die installierte Kamera behielt stets die Tür im Fokus, war nicht schwenkbar. Wir mussten den Raum, der sich dahinter befand, also suchen“, erklärte Mendetti.
„So, wie in den Abenteuerbüchern? Man zieht eine zweite Wand in einen Raum ein, und dadurch entsteht einen versteckter Raum?“, fragte Klapproth, und Mendetti registrierte zufrieden ihre Spannung. „Und, habt ihr ihn gefunden?“
„Aber ja!“ Unvermittelt blieb der Commissario stehen und drückte gegen eine Wand. Mit leisem Klicken öffnete ein geheimer Mechanismus eine darin zuvor unsichtbare Tür.
Maja Klapproth war sprachlos vor Staunen.
Der kleine Raum war angefüllt mit Bildern, goldenen Figuren, glänzenden Kelchen und sonstigen mit Edelsteinen besetzten Kleinoden. Es strahlte, glitzerte und funkelte überall.
Ein schmaler Weg, kaum fußbreit, führte an den Kostbarkeiten vorbei.
Auf einen Schlag fügten sich für Klapproth einige Teile des Puzzles zusammen. Warum war ihr das nicht schon eher eingefallen? Die Narben an Nocturnus’ Kopf und Hals! Die hatte sie schon zuvor gesehen! Auf einer Art Phantombild, das anhand von Zeugenaussagen nach einem spektakulären Raub gezeichnet worden war.
„Kunsträuber!“, stieß sie hervor.
„Nicht nur das“, antwortete Mendetti düster „Ein Teil der Gestände stammt aus dem Kirchenraub im Passeiertal, bei dem ein Geistlicher brutal getötet wurde.“
„Du glaubst, die Kinder Lucifers haben diesen Überfall begangen?“
„Dafür gibt es noch keine stichhaltigen Beweise. Vielleicht haben sie die Schätze auch nur für jemand anderen eingelagert. Aber auf jeden Fall werden sie uns erklären müssen, warum sie all diese Kostbarkeiten in einem verborgenen Raum aufbewahrt haben.“
„So kurz nach ihrer Ankunft in St. Gertraud werden sie doch wohl kaum gleich zu rauben und zu morden begonnen haben! Das wäre äußerst riskant gewesen!“
„Nun, vielleicht dachten sie, das Passeiertal wäre so weitentfernt, dass wir keinen Zusammenhang zu den Satanisten im Ultental herstellen würden. Was wir, ehrlich gesagt, auch nicht getan haben.“
„Commissario?“ Ein Beamter mit hochrotem Gesicht erschien in der Tür.
„Ja?“
„Sehen Sie mal. Das haben wir in einem der
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