Steinhauer, Franziska
willst du abgehangenes Menschenfleisch … Nee, das glaube ich jetzt nicht!“ Mario starrte Robert entsetzt an. „Vom Friedhof?“
„Aber ja! Woher denn sonst!“, gab Robert überlegen zur Antwort.
„Eben“, stimmte Julian zu und feixte. „Woher denn sonst?“
„Ich sehe schon“, maulte Robert enttäuscht, „euch fehlt einfach die richtige Einstellung für so was!“
„Damit könntest du Recht haben. Ich werde sicher nicht mit dir auf den Friedhof gehen und eine ,abgehangene Leiche‘ ausgraben, um sie danach zu grillen! Ganz sicher nicht, Robert! Kommt nicht in Frage!“, stellte Mario klar.
„Mit mir kannst du auch nicht rechnen!“, entschied Julian zögernd, und Mario registrierte einen bedauernden Unterton. Er bekam eine Gänsehaut und rammte Julian einen Ellbogen in die Seite.
„Ihr wisst ja nicht, was euch entgeht!“, verkündete Robert. „Ich habe es schon ein paar Mal gemacht. Es ist aufregend, und es schmeckt wirklich. Es ist mit nichts zu vergleichen, glaubt mir. Man muss ein bisschen Erfahrung haben mit der Auswahl der Stücke und der Zubereitung – aber dann ist es einfach umwerfend.“ Er griff nach einem Spaten, der an der Schuppenwand lehnte, schulterte ihn und ging leise pfeifend los. Schnell war er in der Dunkelheit verschwunden. Sprachlos starrten ihm die Freunde nach, bis sie ihn nicht mehr hören konnten.
„Glaubst du, der zieht das wirklich durch?“ Julians Stimme klang atemlos.
„Zuzutrauen wär’s ihm!“, gab Mario achselzuckend zurück.
Gegen zwei Uhr morgens wachte Julian auf.
Vom Garten her drang ein flackernder Lichtschein ins Zimmer hinauf.
Langsam schälte er sich aus den Decken und sah durchs Fenster. Direkt unter ihm saß eine pummelige Gestalt an einem Lagerfeuer. Im Haus war es vollkommen still – alle schliefen.
Mario stand plötzlich hinter ihm.
„Was ist los?“, gähnte er und rieb sich die Augen.
„Da draußen hockt Robert und grillt. Er hat’s tatsächlich gemacht!“
„Los, komm mit!“ Mario zerrte seinen Freund am Ärmel. „Sind wir nun Satansjünger oder nicht?“
„Wie meinst du das? Willst du doch noch mitessen?“
„Blödsinn! Wir beide fürchten uns nicht vor den Geistern der Toten – wir haben selbst schon getötet! Deshalb werden wir uns jetzt anziehen und zum Friedhof gehen. Wenn Robert dort gegraben hat, werden wir das feststellen.“
„Du willst jetzt über den Friedhof gehen?“, ächzte Julian ungläubig. „Jetzt? Weißt du eigentlich, wie verdammt kalt es da draußen ist? Du bist komplett übergeschnappt! Durchgeknallt!“
„Bin ich nicht! Aber ich lass mir doch nichts vormachen! Schon gar nicht von einem wie Robert!“, beharrte Mario, und Julian fügte sich schlotternd.
Sie kamen an Robert vorbei, als sie das Grundstück verließen.
„Na, auch noch Pläne? Aber lasst euch sagen – gegrillt ist es besser als roh. Da kaut es sich schlecht!“, lachte der junge Mann, und die Freunde sahen, dass seine Zähne blutverschmiert waren.
In der Dunkelheit war der Weg unheimlicher und beschwerlicher als bei Tageslicht, und Julian fluchte ständig leise vor sich hin.
„Warum sollte Robert lügen? Wenn er nun mal gerne Menschenfleisch isst, geht uns das im Grunde gar nichts an!“ Ein paar Schritte weiter quengelte er: „Wieso muss ich hier durch die Finsternis stapfen? Wir werden noch den Berghang hinunterstürzen, und morgen entdecken sie unsere tiefgefrorenen Leichen.“
Mario marschierte schweigend weiter.
„Warum ist es denn so wichtig, zu wissen, ob Robert Menschenfleisch gegessen hat oder nicht?“
Mario setzte über den niedrigen Friedhofszaun.
Er drehte sich zu Julian um und meinte nur: „Weil ich es, wenn er uns nicht reingelegt hat, auch probieren werde!“
„Was?“
„Ja. Ich würde es auch probieren wollen!“
Julian stieg, steif von der Kälte, etwas unbeholfen über das Tor.
„Vielleicht ist es gar nicht abgeschlossen!“, mutmaßte er und überprüfte seine Vermutung sofort.
Tatsächlich. Es ließ sich ohne Weiteres öffnen, und Julian schnitt eine Grimasse.
„Nur gut, dass uns niemand gesehen hat!“
„Woher nimmst du diese Sicherheit?“
Julian drehte sich hektisch nach allen Seiten um und versuchte in die Dunkelheit zu spähen, bis er Marios grinsendes Gesicht bemerkte. „Ach, Mann! Du kannst einen aber auch verunsichern mit deiner Fragerei!“
„Komm! Lass uns nachsehen, ob der verrückte Robert die Wahrheit gesagt hat!“Gründlich sahen sie sich auf dem gesamten Gelände
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