Steirerherz
Frau Fürnpass.
»Er hat Ihre Tochter zum Oralverkehr
gezwungen?«
»Ja.« Diesmal kam die Zeugin ihren
Tränen zuvor und wischte sie von den Wangen, bevor sie erneut auf die Tischplatte
tropfen konnten. Dann kramte sie aus ihrer Handtasche ein Taschentuch hervor.
»Wie lange ging das?«, fragte Sandra.
»Wenige Wochen. Die Pia ist recht
bald zu mir gekommen und hat mir davon erzählt. Ihr hat so gegraust vor ihrem Onkel …« Frau Fürnpass schnäuzte sich.
»Und Valentina?«
»Die hat nur geweint, als ich sie
darauf angesprochen habe. Sie hat sich fast zu Tode geschämt und mich angefleht,
nur ja nichts ihren Eltern zu erzählen.«
»Und? Haben Sie den Trimmels davon
erzählt?«
»Nein. Keiner Menschenseel’ hab
ich was gesagt. Außer unserem Herrn Pfarrer.«
»Sie haben Ihren Bruder demnach
nicht angezeigt?«, wollte Sandra wissen.
»Nein. Ich hab den Mädchen versprochen,
dass sie den Onkel Sepp nie wieder zu Gesicht bekommen werden. Dafür haben sie mir
umgekehrt geschworen, unser Geheimnis für sich zu behalten.«
»Sie haben Ihren Bruder mit dem
Missbrauch Ihrer Tochter durchkommen lassen?«, meldete sich Bergmann zu Wort.
»Ich wollte einen Skandal vermeiden.
Wir sind doch eine kleine Gemeinde … Er sollte nur für immer aus unserem Leben verschwinden.«
»Da haben Sie ihn umgebracht?« Bergmanns
Frage klang, als wäre ein Mord die einzig logische Konsequenz gewesen. Was war bloß
in den Chefinspektor gefahren? Seine Hände waren zu Fäusten geballt, und er sah
aus, als würde er vor Wut gleich platzen. Sandra hoffte, dass er die Nachwehen seiner
Scheidung bald überstanden haben und wieder normal werden würde. Sofern man im Zusammenhang
mit Bergmann überhaupt von Normalität sprechen konnte.
»Wie bitte? Ich hab den Sepp doch
nicht umgebracht!«, entgegnete Frau Fürnpass entsetzt. »Ein Ultimatum hab ich ihm
gestellt.«
»Was denn für ein Ultimatum?«
Frau Fürnpass zupfte an ihrem Taschentuch.
»Er sollte mir das Weingut unserer Eltern überschreiben und freiwillig aus der Gegend
verschwinden. Andernfalls hätt ich ihn angezeigt.«
»Na, das nenn ich doch mal einen
guten Deal!« Bergmann sprang auf. »Sie haben Ihren pädophilen Bruder einfach weggeschickt
und damit riskiert, dass er sich woanders an kleinen Mädchen vergreift?«, schnauzte
er Frau Fürnpass an. Sandra versuchte, ihn mit Blicken zu beruhigen.
Die Zeugin nickte, ohne von ihrem
Taschentuch aufzublicken. Es war offensichtlich, dass sie sich schämte. »Ich kann
es leider nicht mehr ungeschehen machen«, sagte sie, »aber ich hoffe von Herzen,
dass keine anderen Kinder zu Schaden gekommen sind. Doch das ist nicht der Grund,
warum ich damit heute zu Ihnen gekommen bin.«
Sandra glaubte zu wissen, warum
Frau Fürnpass diese Beichte ablegte. »Sie befürchten, dass Ihr Bruder Pia und Valentina
ermordet haben könnte, richtig?«
»Ja. Womöglich ist er pervers.«
»Das ist er sogar ganz sicher! Sonst
würde er sich doch nicht an kleinen Mädchen vergreifen!«, echauffierte sich Bergmann
lautstark.
Sandra deutete ihm, sich wieder
hinzusetzen. Schnaubend ließ er sich auf den Sessel fallen. »Wir werden auf alle
Fälle seine Alibis überprüfen«, meinte Sandra. »Wissen Sie, wo sich Ihr Bruder derzeit
aufhält?«
»Keine Ahnung. Ich hatte keinen
Kontakt mehr zu ihm, seit er damals mit Sack und Pack weggezogen ist.«
Sandra notierte sich das Geburtsdatum
von Josef Laubichler.
»Den finden wir schon. Verlassen
Sie sich drauf. War’s das?« Bergmann erhob sich wieder.
»Ja. Meinen Sie, dass mein Mann
etwas von der Sache erfahren wird?«, fragte Frau Fürnpass.
»An Ihrer Stelle würde ich lieber
reinen Tisch machen«, antwortete Bergmann von oben herab.
Sandra bedankte sich bei Frau Fürnpass,
dass sie mit ihrem Verdacht – spät, aber immerhin doch – zu ihnen gekommen war.
Konnte ihr Bruder tatsächlich der Serientäter sein, nach dem sie suchten?, überlegte
sie, während Bergmann bereits aus dem Verhörzimmer stürmte.
»Wissen Sie schon, wann ich meine
Tochter bestatten lassen kann?«, fragte Frau Fürnpass beim Hinausgehen.
»Ihre Leiche sollte spätestens Anfang
nächster Woche von der Gerichtsmedizin freigegeben werden«, antwortete Sandra.
»Gut«, meinte Frau Fürnpass leise
und verabschiedete sich.
Sandra hatte alle Mühe, Bergmann
auf dem Korridor einzuholen. »Was ist denn bloß los mit dir, Sascha? Warum rennst
du so? Bist du auf der Flucht?«
»Unsinn! Ich kauf mir diesen Typen.
Und wenn es die
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