Stella Cadente - Niemals darf es sein
Körper. Wie in einem Traum blickte Lili auf und sah Matteo. Er stand vor ihr, ebenso durchnässt wie sie, und bot ihr seine Hand an. Ein größeres Glücksgefühl hatte Lili in ihrem L eben noch nicht empfunden.
Und obwohl sie es sich nicht erklären konnte, wusste sie plötzlich alles. Matteo hatte sie den ganzen Abend g esucht, verzweifelt und beschämt über seine Worte. Jetzt, da er sie endlich gefunden hatte, durchnässt aber gesund, zeugte sein Gesicht von unendlicher Erleichterung. Er bereute, was er gesagt hatte, und Lili hatte ihm bereits vergeben. Weitere Worte waren nicht nötig.
Sie nahm seine Hand und ließ sich von ihm aufhe lfen. Ihre durchweichte Stofftasche fiel zu Boden, doch es war ihr egal. Sie hatte das Gefühl, dass alles gut werden würde. Sie vertraute darauf, was sonst konnte sie tun? Matteo zog sie an sich, bis sie dich vor ihm stand. Dann strich er ihr eine nasse Haarsträhne aus der Stirn. Sie standen gemeinsam im Regen, nur das Licht einer Straßenlaterne umhüllte sie, und Lili konnte sich nicht vorstellen, wo sie im Augenblick lieber sein wollte. Für sie gab es nichts anderes als Matteos schützenden und warmen Arme. Sie spürte seinen festen Körper und erinnerte sich an ihre erste Umarmung, an ihren ersten Kuss. Seine Lippen auf ihren, weich und zärtlich, eine leidenschaftliche Liebkosung.
Und plötzlich wurde Lili klar, dass sie nicht nur einer intensiven Erinnerung nachhing. Sie befand sich mitten in der Realität. Matteo küsste sie, und sie e rwiderte seinen Kuss. Alles andere schien plötzlich nebensächlich, nur seine Hände an ihrem Hals, sein warmer Mund auf ihrem waren wichtig, und Lili öffnete ihre Lippen. Ihr Kuss wurde inniger und tiefer. Sie wollte ihn, und sie spürte genau, dass es Matteo ebenso ging. Seine Hände wanderten abwärts, berührten ihren Busen durch die nassen Kleider, und ein verzweifeltes Seufzen drang aus ihrer Kehle. Sie bemerkte, dass Tränen über ihre Wangen liefen. Und mit den Tränen war alles vorbei. Ihr Verstand war wieder da. Verzweifelt riss Lili sich von Matteo los und wich entsetzt zurück. Sie hatte sich nicht so gehen lassen dürfen!
Matteo sah sie verstört an, sie konnte die Enttä uschung über die erneute Zurückweisung in seinen Augen sehen. Lili wollte weglaufen, doch sie blieb wie erstarrt stehen. Weglaufen brachte nichts, das hatte sie heute gelernt. Sie würde ohnehin immer wieder bei ihm enden. Die Zeit der Wahrheit war gekommen. Weitere Tränen liefen über Lilis Gesicht. Wie in Trance nahm sie wahr, dass Matteo die Haustür aufschloss und sie in die Vorhalle führte. Sie war nicht in der Lage, darauf zu reagieren, sie tat es einfach, froh darüber, dass er ihr eine Entscheidung abgenommen hatte.
In der Vorhalle ließ sie sich auf den ersten Stufen der Treppe nieder. Fürsorglich kniete sich Matteo vor sie, vorsichtig darauf bedacht, sie nicht noch einmal anzufa ssen.
» Was ist nur mit dir los, Lili? Sprich mit mir! Was ist es, was dich so quält?«
Lili sah ihn durchdringend an. Noch nie hatte sie ihn so intensiv betrachtet. Und er war immer noch unbegrei flich schön. »Du hast gesagt, du liebst mich. Ist das wirklich wahr?«, fragte sie verzweifelt.
Matteo lächelte bekümmert, aber seine Augen leuchteten vor Zune igung. »Ich kann es selbst kaum fassen, aber es ist wirklich wahr. Ich liebe dich, Lili. Mehr als ich es jemals für möglich gehalten habe. Erst du hast mich zum Leben erweckt. Bevor ich dich traf, bin ich nur im Halbschlaf durch die Welt gelaufen.«
» Großer Gott«, entfuhr es ihr fassungslos. Warum musste das nur sein, wo es doch nicht sein durfte? Warum war niemand für sie da gewesen, der das hätte verhindern können?
Lili schluckte schwer, bevor sie sa gte: »Weißt du, wer mich noch geliebt hat? Mein Vater. Er ist vor ein paar Wochen gestorben.«
» Das tut mir leid, Lili.«
Lili hob die Hand, um Matteo zum Schweigen zu bringen. Sie wollte jetzt nicht unterbrochen werden. Wenn sie jetzt aufhörte, würde es ihr niemals geli ngen, die Wahrheit auszusprechen.
» Mein Vater ist gestorben. Und dann, eine Woche nach seiner Beerdigung, erzählte meine Mutter mir, dass der Mann, der gestorben war, der Mann, der mich großgezogen und so sehr geliebt hat, nicht mein leiblicher Vater war. Mein Vater ist ein Fremder, eine kurzweilige Affäre meiner Mutter. Sie lernte ihn vor fünfundzwanzig Jahren in Italien kennen. Hier in Florenz, in deinem Caffè . Deshalb war ich dort.«
Regen, vermischt mit
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