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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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sehen, wohl aber für mich.
    Über den schwarzen Baumwipfeln leuchteten rot die Lichter an den Brückenpfeilern. Auf dem Anstieg näherte sich erneut ein Auto. Im Licht der Scheinwerfer wurden erst die Fahrradfahrer deutlich sichtbar, ein kurzes Aufblitzen von Reflektoren, Metall, Steppjacken, schwarzen Augen und weißen Gesichtern, danach die spielenden Kinder, die nur den notwendigen Schritt seitlich ausgewichen waren, damit das Auto passieren konnte, und nun geisterhaft dastanden und es anstarrten.
    Es war das Ehepaar Trollnes, die Eltern von Sverre, einem Jungen aus meiner Klasse. Er schien nicht bei ihnen zu sein.
    Ich wandte mich um und sah den roten Rücklichtern nach, bis sie über die Hügelkuppe verschwanden. Dann ging ich hinein. Eine Weile versuchte ich auf dem Bett liegend zu lesen, aber es wollte sich nicht die nötige Ruhe einstellen, so dass ich stattdessen in Yngves Zimmer trottete, von wo aus ich auf Vater hinabschauen konnte. Wenn ich ihn sah, wusste ich, wo er war, und im Grunde war diese Gewissheit das wichtigste. Ich kannte seine Launen und hatte längst gelernt, sie mit Hilfe eines unterbewussten Kategorisierungssystems vorherzusehen, wie mir später klar wurde, bei dem das Verhältnis zwischen wenigen festen Größen ausreichte, um zu entscheiden, was mich erwartete, so dass ich die nötigen Vorkehrungen treffen konnte. Eine Art Meteorologie des Gemüts … Die Geschwindigkeit des Wagens auf dem sanften Anstieg zu unserem Haus, die Zeit, die er benötigte, um den Motor auszuschalten, seine Sachen zu packen und auszusteigen, die Art, wie er sich umsah, wenn er die Autotür abschloss, die Nuancen in den unterschiedlichen Lauten, die aus dem Flur hochdrangen, wenn er den Mantel ablegte – das alles waren Zeichen, das alles ließ sich deuten. Ergänzt wurde es durch Informationen darüber, wo er und wie lange er und mit wem er zusammen gewesen war, ehe die Schlussfolgerung, der einzige Teil des Prozesses, den ich bewusst wahrnahm, gezogen wurde. Am meisten fürchtete ich mich deshalb, wenn er einfach kam … Wenn ich aus irgendeinem Grund unaufmerksam gewesen war …
    Woher in aller Welt hatte er gewusst, dass ich gelaufen war?
    Es war nicht das erste Mal, dass er mich in unerklärlicher Weise ertappt hatte. So hatte ich an einem Herbstabend eine Tüte Süßigkeiten unter dem Plumeau meines Betts versteckt, weil ich schon ahnte, dass er in mein Zimmer kommen und mir nie und nimmer glauben würde, wie ich an das Geld geraten war, um sie mir zu kaufen. Als er wie erwartet hereinkam, sah er mich einige Sekunden an.
    »Was hast du da im Bett versteckt?«, sagte er.
    Woher wusste er das?
    Draußen schraubte Prestbakmo die starke Glühlampe fest, die über der Platte angebracht war, an der er regelmäßig arbeitete. Das neue Auge aus Licht, das aus der Dunkelheit hervorstach, war voller Sachen und Dinge, die Prestbakmo stehend, vollkommen reglos anstarrte. Stapelweise Farbtöpfe, Gläser mit Pinseln, Holzklötze, Bretterenden, zusammengelegte Planen, Autoreifen, ein Fahrradrahmen, ein paar Werkzeugkästen, Boxen voller Schrauben und Nägel in allen Größen und Formen, Bretter mit Milchtüten voller üppig sprießender Blumen, Säcke mit Kalk, ein aufgerollter Gartenschlauch und an die Wand gelehnt eine Platte, auf der sich alle möglichen Werkzeuge abzeichneten, wahrscheinlich war sie für den Hobbykeller im Haus gedacht.
    Als ich erneut zu Vater hinübersah, ging er mit dem Hammer in der einen Hand und dem Spaten in der anderen über den Rasen. Rasch wich ich zwei Schritte zurück. Im selben Moment wurde die Haustür geöffnet. Es war Yngve. Ich sah auf die Uhr. Zwei Minuten vor halb neun. Als er unmittelbar darauf in jener charakteristischen, fast ruckartigen, ein wenig gespenstischen Gangart die Treppe heraufkam, die wir entwickelt hatten, um uns im Haus schnell, aber lautlos bewegen zu können, war er außer Atem und hatte einen roten Kopf.
    »Wo ist Papa?«, sagte er, nachdem er ins Zimmer gekommen war.
    »Im Garten«, antwortete ich. »Aber du bist nicht zu spät. Schau, jetzt ist es halb neun.«
    Ich streckte den Arm mit der Uhr aus.
    Er ging an mir vorbei und zog den Schreibtischstuhl heraus. Er roch noch nach draußen. Kalte Luft, Wald, Kies, Asphalt.
    »Hast du meine Kassetten angerührt?«, sagte er.
    »Nein.«
    »Was tust du dann in meinem Zimmer?«
    »Nichts«, erklärte ich.
    »Kannst du das nicht in deinem eigenen Zimmer machen?«
    Unter uns wurde die Haustür geöffnet. Diesmal waren

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