Stern auf Nullkurs (1979)
Randolph!" schrie Kalo.
„Werde mich hüten, das hat nun auch keinen Sinn mehr."
Kalo atmete tief durch. Es war immerhin erfreulich, daß sich jeder einzelne von ihnen zu beherrschen wußte. Spontane Reaktionen konnten sie sich jetzt noch weniger leisten als je zuvor.
Der Zoomat stand vor Randolphs Fahrzeug, unbeweglich, abwartend, die Zangen hatte er wie ermattet gesenkt, ab und zu öffnete er das Maul und stieß Brodem aus.
So tierisch das Wesen wirkte, wenn es sich bewegte, so starr und tot schien es in den Phasen der Ruhe. Dann war nicht mehr- Leben in ihm als in einer eisernen Statue, in einem Felsblock oder einem abgestorbenen Baum. Daran änderte auch das Auf- und Zuklappen der Kiefer nichts, im Gegenteil, der Vergleich mit einer Baggerschaufel drängte sich zwangsläufig auf. Das Maul war wesentlich breiter als die Stirn, innen samtrot, ohne Lippen, Ober- und Unterkiefer endeten in bräunlichen Leisten, deren Glanz die Härte ahnen ließ.
„Ich steige aus!" erklärte Kalo schließlich. Er war des Wartens überdrüssig, etwas mußte geschehen, diese Situation war weder durch Überlegungen noch durch Berechnungen zu klären. Niemand vermochte auf Bekanntes zurückzugreifen, niemand hatte Verhaltensmuster zur Hand, an denen sie sich orientieren konnten. Der Protest kam von allen Seiten, und seltsamerweise reagierte Tonder am schärfsten.
„Das wäre heller Irrsinn!" behauptete er auffahrend. Und dann, schon bedeutend ruhiger: „Aber ich bin sicher, daß du es trotzdem tun wirst. Du verlierst nicht gern."
Kalo blickte nachdenklich vor sich hin. War er tatsächlich ein schlechter Verlierer? War er wirklich außerstande, sich und anderen einzugestehen, daß er einen falschen Weg gegangen war, Fehlschlüsse gezogen hatte, Phantomen nachgejagt war? Konnte man ihm mit Recht vorwerfen, er sei ein Besserwisser?
Manchmal mochte es den Anschein haben, manchmal, wenn er Hypothesen oder Entschlüsse mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft verteidigte, auch wenn die Zahl seiner Gegner die der Befürworter bei weitem überstieg. Aber was wußte Tonder von seinen inneren Kämpfen, in denen er das Für und Wider einer jeden Erkenntnis abwog, was von den Zweifeln angesichts derer, die ihn für einen unbelehrbaren Euphoriker hielten, was von den Stunden voller Qualen, wenn er einsehen mußte, daß sich wieder eine Hoffnung zerschlagen hatte?
Gewiß, er dachte anders als viele, seine Erwägungen gingen andere Wege, und das konnte wohl dazu führen, daß er das Naheliegende hin und wieder übersah. Stellte er heute eine Hypothese auf, so war mit ihrer Bestätigung nicht morgen, sondern erst übermorgen zu rechnen. War es falsch, trotzdem zu ihr zu stehen, daran zu arbeiten?
„Einer muß aussteigen", sagte er. „Weshalb nicht ich?"
„Niemand muß aussteigen", widersprach Randolph. „Mit dem da draußen ist kein Gespräch möglich."
„Angenommen, niemand steigt aus. Was dann?"
„Laß uns überlegen."
„Wie lange noch?"
„Bis wir die Lösung gefunden haben. Und wenn es Stunden dauert." „Ohne Kenntnis der Zusammenhänge werden wir keine Lösung finden. Ich gehe!"
Er wartete, daß Nelen sich einschalten würde, daß er ihn an seine Aufgabe erinnern würde, daran, daß er während des Aufenthaltes auf Merkur Befehlsgewalt habe und deshalb unentbehrlich sei, daß er auch als Kommunikationstechniker der einzige Spezialist sei, der sich nicht in Gefahr bringen dürfte, daß er nichts von dem fremden Wesen dort draußen wisse, aber Nelen schwieg beharrlich.
Erst nach längerem Zögern kam erneut Randolphs Stimme. „Ich werde gehen", sagte er. „Früher habe ich mehrere Semester Zoologie..."
„Schluß der Debatte!" Kalo spürte Zorn in sich aufsteigen, zugleich aber auch eine gewisse Freude über Randolphs Angebot. „Ich bin schon zu Tränen gerührt. Sich doch endlich ein, daß hier mit Zoologie überhaupt nichts auszurichten ist. Wichtig sind allein die Erfahrungen und der Blick für außergewöhnliche Situationen. Es ist also unerheblich, wer geht. Einer ist so gut wie der andere."
„Viel Glück, Kalo!" sagte Aikiko leise, und ihre Stimme klang, als litte sie unter Atemnot.
Nie hatte er so gründlich die Funkion des Druckausgleichssystems überprüft wie während dieses Ausschleusens, nie so exakt das Helmvisier verriegelt, nie den Skaphander so sorgfältig aufgeblasen.
Schließlich fragte er sich, ob er Angst habe. Selbstverständlich hatte er Angst, er spürte den Druck
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