Stern der Leidenschaft
verwendeten das Wort ›geschlüpft‹ anstatt ›geboren‹. Das klingt, als wäre sie aus einem großen, weißen Ei gekrochen. Oder war das vielleicht nur ein Witz?« Martha kicherte eine ganze Zeit lang vor sich hin. »Zugegeben, ich neige manchmal zu Scherzen, die nicht jeder gleich versteht«, sagte sie schließlich. »Aber in diesem Fall war, was ich sagte, völlig ernst gemeint. Die Kystranier sind eine ungewöhnlich hoch entwickelte Spezies. Das Gebären von Kindern haben sie bereits vor Jahrhunderten aufgegeben.« »Das ist völlig unmöglich. Dann wären sie längst ausgestorben, und Sie könnten nur noch in der Vergangenheit über sie sprechen.«
»Ausgestorben wären sie wirklich beinahe schon einmal. Und zwar während der Großen Wasserknappheit vor einigen Jahren. Damals verschwanden beinahe alle Pflanzen und Tiere von ihrem Planeten. Doch die Kystranier überstanden diese schwere Prüfung. Sie sind Nachkommen des echten so genannten Alten Volkes, das vor zweitausend Jahren das Universum kolonisierte und bekamen Hilfe von ihren Schwesterplaneten. Sie haben sich dem Wassermangel angepasst, indem sie Bäder ohne Wasser erfanden und sich alternative Nahrungsquellen erschlossen. Damals mussten sie umdenken und haben viel Neues dazugelernt. Davon profitieren sie jetzt, denn sie verfügen über eine erprobte Technologie, mit der wüstenartige und lebensfeindliche Planeten besiedelt werden können.« »Sie bekommen eine Eins mit Sternchen fürs Ablenken von meiner eigentlichen Frage, Martha.« »Wer macht denn nun Witze? Ich wollte durchaus nicht vom Thema ablenken. Was ich dir gerade erzählt habe, sind nur ein paar Hintergrundinformationen. Das Gebären von Kindern war den Kystraniern einfach zu schmerzhaft und zu gefährlich. Deshalb haben sie es abgeschafft. Außerdem stand es der konsequenten Zuchtauswahl im Wege, und dieses Volk legt nun einmal größten Wert auf intelligenten Nachwuchs. Nur so können die Lebensbedingungen ihres Volkes immer weiter verbessert werden.« »Liegt darin nicht ein gewisser Widerspruch? Wie züchtet man denn Menschen, ohne sie zu gebären?« »Streng deine Hirnwindungen doch einfach ein wenig an«, versetzte Martha. »Wahrscheinlich kommst du dann von selbst auf die Antwort. Soweit ich weiß, laufen auch auf deinem Heimatplaneten bereits Experimente in dieser Richtung.« »Sie meinen doch nicht etwa das Klonen?« »Nein, eigentlich nicht. Bei euch nennt man diese Methode wohl ›künstliche Befruchtung‹. Die Kystranier gingen noch einen Schritt weiter. Bei ihnen dient der weibliche Körper nicht mehr als Gefäß für die heranreifende Leibesfrucht. Man benutzt dafür lieber eine künstliche Gebärmutter. Nur die intelligentesten Bewohner des Planeten spenden Eizellen und Samen. Gleichzeitig wird die Geburtenkontrolle nicht dem Gutdünken jedes Einzelnen überlassen. Nahrungsmittel und Getränke sind entsprechend präpariert. Die Bevölkerung vermehrt sich also nur nach strengsten Vorgaben und unter wissenschaftlicher Aufsicht. Kystranische Kinder wachsen in Kinderzentren auf, wo man sie umfangreichen Tests unterzieht. Auf diese Weise stellt man früh fest, für welchen Beruf sie am besten geeignet sind. Als Erwachsene leisten sie dann in ihrem beruflichen Betätigungsfeld meist Beachtliches.«
»Das klingt alles – furchtbar gefühllos und kalt.« »Tedra würde dir zustimmen. In einem Kinderzentrum lernen die Kleinen alles, was sie fürs Leben wissen müssen. Aber eines bekommen sie nicht, und das können wohl nur fürsorgliche Eltern einem Kind schenken. Tedra selbst fand auch erst auf Sha-Ka’an, was sie suchte.«
»Sie meinen Liebe, nicht wahr?« »Haarscharf erkannt.«
»Sie widersprechen sich schon wieder«, stellte Brittany fest. »Vor ein paar Minuten haben Sie noch behauptet, die Sha-Ka’ani beherrschten ihre Gefühle so meisterhaft, dass sie ihnen größtenteils abhanden gekommen seien.«
»Das gilt für die Männer, nicht für die Frauen«, erklärte Martha. »Aber ich verrate dir ein kleines Geheimnis. Die Krieger glauben tatsächlich, sie seien unfähig zu lieben. Eine andere Person gern haben und sich um sie kümmern, das mag gerade noch angehen, aber das Gefühl echter, tiefer Liebe ist für sie eine romantische Erfindung, mit der sie nichts anfangen können. Meine Tedra indessen brachte den Mythos vom unerschütterlichen, gefühlskalten Krieger kräftig ins Wanken. Ihr Lebensgefährte Challen liebt sie abgöttisch, auch wenn er das anfangs nicht
Weitere Kostenlose Bücher