Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
Frage, wie Sie ausgerechnet auf Rum gekommen sind. Hier bei uns hat dieser Schnaps nicht die höchste Beliebtheit. Nur die Armen trinken ihn.«
Carpenter lachte dröhnend, wie nicht anders zu erwarten. »Meinen Sie nicht, Fischer, dass es in Amerika auch arme Leute gibt?« Er sprach Hermann mit seinem deutschen Namen an, den er abgelegt hatte, als Kuba ihm vor vielen Jahren zur Heimat geworden war.
»Doch, natürlich. Ich dachte jedoch, diese trinken Whiskey.«
»Da haben Sie natürlich auch wieder recht, alter Junge. Aber es gibt mittlerweile in unserem Land eine große Schicht – ich möchte fast sagen, die Mehrheit –, die sich nicht zu den Armen zählt, aber auch noch nicht zu den Reichen, verstehen Sie?«
Hermann nickte.
»Sehen Sie, für diese ist das neue Getränk. Billig in der Herstellung, teuer im Verkauf.« Er rieb sich ungeniert die Hände, als könnte er den riesigen Gewinn, den er zu machen beabsichtigte, schon vor sich sehen.
»Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Für einen Geschäftsmann ist es derzeit nicht schwer, reich zu werden.« Er zeigte mit dem Zeigefinger auf Hermann. »Sie wissen, wie es politisch aussieht? Es wird Krieg geben auf Ihrer wunderschönen Insel. Am Ende wird Kuba eine amerikanische Kolonie sein. Es wird Leute geben, die dabei einen ordentlichen Gewinn machen. Und Sie, Fischer, können dazugehören, wenn Sie wollen, und wenn Ihre Brühe hier einigermaßen schmeckt.«
»Probieren Sie!« Hermann hob sein Glas, prostete Joachim Groth und Carpenter zu.
Der Amerikaner trank, ließ den Rum über die Zunge rollen, als würde er Wein verköstigen, dann gurgelte er sogar damit, bevor er ihn schließlich hinunterschluckte. »Hm!«, sagte er. Mehr nicht.
Auch Groths Miene blieb ohne Ausdruck.
»Dieser Rum ist nur ein Mal gebrannt worden und in keiner Weise veredelt. Es ist genau der, den wir unseren Angestellten als Deputat geben.«
Carpenter nickte. »Für die Nigger mag der ausreichen, aber ich suche schon etwas Feineres.« Er griff sich an den Hals. »Meine Güte, ich glaube, das Zeug hat mir die Kehle verätzt.«
Hermann lächelte, goss aus einer anderen Flasche ein. »Hier, probieren Sie den einmal.«
Wieder veranstaltete Mister Carpenter einen Zirkus und ließ den Schnaps über die Zunge rollen. Dann schluckte er, schloss kurz die Augen und riss den Mund auf, als bekäme er schlecht Luft. »Schon besser, alter Junge, schon besser. Was ist an dem Höllenzeug anders als an der Niggerbrühe?«
»Er ist nicht nur ein Mal, sondern zwei Mal gebrannt, aber noch immer ohne Veredelung.«
»Hm«, machte Carpenter. »Auch nicht das, was ich mir vorgestellt habe.«
»Dann probieren Sie den hier!« Hermann reichte ein weiteres Glas herum.
Dieses Mal verzog sich das Gesicht des Amerikaners so zufrieden wie das einer Katze, die heimlich an den Sahnetopf geraten war. Er setzte das Glas ab, schmatzte noch ein paar Mal, dann nickte er. »Das Zeug gefällt mir schon eher. Was haben Sie damit gemacht, Fischer?«
Hermann setzte sich, trank selbst einen Schluck aus seinem Glas. »Ich habe mich daran erinnert, wie die Franzosen ihren Cognac brauen. Sie lagern den Schnaps in Fässern, und der Cognac nimmt das Aroma der Fässer an. Allerdings sind hier auf der Insel die Fässer schwer zu bekommen. Ich denke, es ließe sich ein ganz hervorragendes Tröpfchen mit Fässern aus amerikanischer Eiche herstellen. Wie es uns aber gelungen ist, diesen Rum weich wie einen Mädchenbusen zu machen, das bleibt unser Geheimnis. An weiteren Veredelungen experimentiere ich noch. Die Schwarzen zum Beispiel trinken den Rum mit Zitronenscheiben. Ich habe auch schon gehört, dass sie Palmenspäne oder Holz von Orangenbäumen in die Gärballons geben.«
»Rum mit Orangengeschmack, das klingt nicht schlecht«, überlegte Mister Carpenter laut.
Jetzt meldete sich zum ersten Mal Joachim Groth zu Wort. »Orangengeschmack. Ich weiß nicht. Es könnte sein, dass der Rum dann zu sehr eine weibliche Note erhält. Aber das ist es doch nicht, was Sie wollen, Mister Carpenter, oder?«
Der Amerikaner lächelte. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich muss darüber nachdenken. Einen Rum für die Weiber, der Gedanke hört sich nicht übel an. So als Zusatzprodukt. Ansonsten haben Sie natürlich recht, Groth. Rum ist Männersache. Rauchig soll er sein, der Geschmack soll sagen: Du kannst alles schaffen, was du willst.«
Er sah Hermann an. »Wissen Sie, was ich damit meine?«, fragte er.
Hermann
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