Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
so an Fela in Rage versetzte. Er, der Schwarze, wollte seinen Platz einnehmen. Er wollte ihn aus seinem Haus, von seinem Ingenio vertreiben. Er wollte ihm sein ganzes Sein und Dasein rauben. Ja, so war es. Fela hatte Titine geschwängert. Nicht aus Liebe. Nein! Er tat es, um Hermann zu demütigen, der bisher keine Nachkommen hatte zeugen können. Felas Kinder, milchkaffeebraun und zur Hälfte mit dem Blut der Yoruba-Krieger ausgestattet, sollten einmal erben, was er für seine eigenen Kinder geschaffen hatte. Fela würde alles bekommen, was ihm gehörte.
Schwach und so matt wie nie im Leben, benommen von den Medikamenten und Verletzungen, aber rasend empört über die Dreistigkeit des Rivalen, wollte Hermann sich aufsetzen, wollte weiterkämpfen, doch eine sanfte Hand drückte ihn zurück in die Kissen, zurück in den Genesungsschlaf. Und er träumte weiter, bäumte sich dabei auf, strampelte mit den Füßen, wedelte mit den Händen, warf den Kopf hin und her, doch die sanfte Hand, die ihm über Körper und Haar strich, vermochte es nicht, ihn zu beruhigen. Endlich, endlich tauchte er auf aus seinem kräftezehrenden Traum, fühlte sich matt und zerschlagen, als hätte er wahrhaftig gekämpft. Zugleich aber war sein Blick klarer, die Gedanken einleuchtender. Er wusste nun, wo er war, doch er wusste kaum, was geschehen war. Er schob die sanfte, kühlende Hand zur Seite und krächzte: »Andreas!«
»Sie wollen den Doktor sprechen?« Eine sanfte Stimme, die so gut zu den beruhigenden Gesten passte, fragte ihn das, ohne dass er den Kopf drehen und sehen konnte, wer die Frau war.
»Andreas!«, krächzte er wieder.
Ein Stuhl wurde gerückt, ein Schatten beugte sich über ihn. »Ich hole ihn, ich hole den Doktor. Nur einen Augenblick Geduld bitte.«
Hermann konnte noch immer nicht richtig sprechen, sein Mund schmerzte bei der kleinsten Bewegung so heftig, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb. Doch das, was er jetzt wissen wollte, war für ihn so lebenswichtig, dass er den Schmerz ignorierte. »Was ist passiert?«, wollte er von Dr. Winkler wissen. Die sanfte Frau, eine Schwarze, in der er Winklers Lebensgefährtin erkannte, schob ihm einige Kissen in den Rücken, so dass er sich ein wenig aufrichten konnte.
»Was ist passiert?«, wiederholte er.
Andreas Winkler seufzte, dann schüttelte er leicht den Kopf. »Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll«, begann er.
»Alles!«, krächzte Hermann. »Ich will alles wissen. Von Anfang an.«
»Gut!« Dr. Winkler nickte, nahm dann das Fläschchen mit den Opiumtropfen vom Nachttisch und spielte damit wie absichtslos, während er sprach. »Du erinnerst dich an nichts mehr?«
»Doch, da war ein Feuer.«
»Ja. Dein Haus ist abgebrannt. Bis auf die Grundmauern. Du hast deinen gesamten Besitz verloren.«
Hermann winkte mit der Hand zum Zeichen, dass dies ihn nicht so brennend interessierte.
»Auch dein Zuckerrohr ist nicht mehr. Die Schwarzen haben die Felder angezündet, damit sie nicht für den Amerikaner Rum brennen müssen.«
Wieder winkte Hermann ab, als sei das ganz und gar unwichtig, aber Andreas Winkler ließ sich nicht beirren. »Du hast nichts mehr, Hermann. Nicht einmal die Kleidung auf deinem Leib gehört dir. Du trägst eines von meinen Nachthemden.«
»Fela!«, verlangte Hermann mit Nachdruck zu wissen.
Dr. Winkler zögerte. »Darum brauchst du dich jetzt nicht zu kümmern. Du musst erst einmal gesund werden. Das ist jetzt das Wichtigste. Mafalda und Titine sind in Sicherheit. Du erinnerst dich? Du selbst hast sie nach Havanna geschickt. Alles wird gut werden, wenn du dich jetzt schonst.«
»Fela!« Hermann spie das Wort regelrecht in den Raum.
Dr. Winkler zuckte mit den Achseln. »Du hast es nicht anders gewollt«, sollte diese Geste bedeuten.
»Du hast ihn verletzt. Deine Machete hat ihm das Gesicht zerfetzt.« Er lachte kurz auf, aber es war keine Fröhlichkeit in diesem Lachen. »Der Witz daran ist, dass Fela dir die gleiche Wunde verabreicht hat. Ihr tragt beide das Mal eurer Fehde im Gesicht.«
Hermann wedelte ungeduldig mit der Hand. »Weiter!«
»Auch seine Schulter hast du gespalten. Er muss sehr viel Blut verloren haben. Ob er noch lebt? Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung. Seit der Nacht des Brandes habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Ist das alles?«, wollte Hermann wissen und verzog das Gesicht vor Schmerz.
Der Arzt nickte. »Ja, das ist alles. Deine Arbeiter haben den Ingenio verlassen. Alle. Das Siedehaus ist
Weitere Kostenlose Bücher