Sterne einer Sommernacht
entgegenzubringen wusste, war Dankbarkeit.
Und jetzt hatte sie ihn verloren, seine Freundschaft, die ihr doch so wichtig war, seine häufigen Besuche, ohne die sie sich ihr Leben mittlerweile gar nicht mehr vorstellen konnte. Sie hatte ihn verloren, weil er sich eine richtige Frau wünschte, was sie nicht war, denn sie war innerlich leer.
Sie weinte nicht. Es war zu spät für Tränen. Stattdessen straffte sie die Schultern. Sie ging die Treppe nach unten ins Inn. Dort wartete Arbeit auf sie, und sie konnte am besten nachdenken, wenn ihre Hände beschäftigt waren.
Sie musste neue Blumen in die Brautsuite – Abigails ehemaliges Zimmer – bringen. Auch wenn der Raum nicht belegt war, stand stets ein frischer Strauß auf dem Tisch am Fenster. Heute Morgen hatte sie es vergessen.
Und doch duftete das ganze Zimmer nach Rosen. Plötzlich spürte sie, wie ihr ein Schauer den Rücken hinabrann. Sie spürte deutlich seine Anwesenheit und wandte sich um.
„Devin.” Erleichterung, Verwirrung, Besorgnis. Al das war in ihr, als sie jetzt einen Schritt auf die Tür zuging.
Doch es war nicht Devin. Der Mann war groß, schwarzhaarig und sah atemberaubend gut aus. Sie spürte seine starke Anziehungskraft deutlich.
Aber sein Gesicht war nicht Devins Gesicht, und seine Kleider waren förmlich, altmodisch. Ihre Hand fühlte sich plötzlich an, als gehöre sie nicht zu ihr, und in ihrem Kopf begann es seltsam zu summen.
„Abigail, komm mit mir. Nimm die Kinder und geh mit mir fort. Verlass dieses Haus. Du liebst ihn nicht.”
Nein, dachte Cassie. Ich habe ihn nie geliebt. Und jetzt verachte ich ihn.
„Siehst du nicht, was du dir damit antust, wenn du noch länger hierbleibst? Wie lange willst du noch ausharren?”
„Mir bleibt nichts anderes übrig. Es ist das Einzige, was ich tun kann.”
„Ich liebe dich, Abby. Ich liebe dich so sehr. Ich könnte dich glücklich machen, wenn du es nur zulassen würdest. Lass uns von hier weggehen, ganz weit weg, und lass uns zusammen ein neues Leben anfangen. Ein Leben, das nur uns gehört. Ich warte doch schon so lange auf dich.”
„Wie könnte ich das? Ich fühle mich an ihn gebunden. Außerdem habe ich Kinder, und dein Leben ist hier in dieser Stadt. Du kannst nicht einfach weggehen, du hast eine Verantwortung, und die Menschen hängen an dir.”
„Es gibt nichts, was ich nicht für dich tun würde. Ich würde für dich sogar töten. Und sterben. Um Gottes willen, Abigail, gib mir die Chance, dir zu beweisen, wie sehr ich dich liebe. Al die Jahre über war ich um dich herum, habe mit ansehen müssen, wie unglücklich du warst, und konnte dir doch nicht helfen. Ich konnte das Gefühl, nichts tun zu können, kaum ertragen.
Doch das ist jetzt vorbei. Er ist nicht da. Wir könnten fliehen und schon weit weg sein, ehe er zurückkommt. Warum sollten wir uns deshalb schuldig fühlen? Ich will nicht mehr mit dir im Salon sitzen und mir vormachen, ich würde dich nicht lieben, würde dich nicht brauchen. Ich kann nicht mehr einfach nur dein Freund sein.”
„Du weißt, wie sehr ich dich schätze und wie wichtig du mir bist.”
„Sag mir, dass du mich liebst.”
„Ich kann nicht. In mir ist nichts, nur Leere. Er hat mich umgebracht.”
„Komm mit mir, bitte. Dann wirst du wieder anfangen zu leben.”
Was auch immer oder wer auch immer dort an der Tür gestanden haben mochte, er oder es verblasste langsam und war schließlich ganz verschwunden. Nur der Rosenduft hing noch immer unverkennbar in der Luft. Cassie fand sich schwankend einen Moment später in der Wirklichkeit wieder, eine Hand Halt suchend ausgestreckt, aber sie griff ins Leere.
In ihrem Kopf summte es noch immer. Jetzt wurde ihr schwindlig, die Beine sackten unter ihr weg, und sie sank langsam zu Boden.
Was war geschehen? Hatte sie geträumt? Halluziniert?
Als sie eine Hand an ihr Herz legte, spürte sie sein wildes Pochen.
Sie hatte die Gespenster schon vorher gehört, ihre Anwesenheit auch gespürt, gesehen jedoch hatte sie bisher noch nie eines. Keinen der Barlows und auch den armen getöteten Soldaten nicht. Aber jetzt hatte sie den Mann gesehen, der Abigail geliebt hatte. Den Mann, der sie liebte.
Wer war er gewesen? Das würde sie wohl niemals erfahren. Warum war Abigail nicht mit ihm gegangen? Warum hatte sie die Hand, die er ihr hinstreckte, nicht genommen und war mit ihm davongelaufen?
Davongelaufen, um ihr Leben zu retten?
Abigail hatte ihn geliebt. Cassie holte tief Atem. Ja, dessen war sie
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