Sternenfaust - 066 - Auserwählt (2 of 2)
würde es versuchen. Ihr Volk war Generationen lang betrogen und belogen worden. Und falls es ihr nicht gelang, den Fremden aus dem Algorai zu befreien, so würde sie gewiss die eine oder andere Möglichkeit finden, den Morax dort das Leben schwer zu machen, bevor man sie vielleicht entdeckte.
Sie hatte das Algorai noch nicht erreicht, als sie Kunosh sah, der zielstrebig in dieselbe Richtung ging. Es war unschwer sich zu denken, was er vorhatte. Sikona musste also schnell handeln, sobald sie am Ziel war. Sie passte sich seiner Geschwindigkeit an und achtete darauf, kein Geräusch zu machen. Doch Kunosh war so sehr mit seinen Gedanken beschäftigt – und immer noch verärgert, wie seine blau-schwarze Haut bewies –, sodass er seiner Umgebung ohnehin keine Beachtung schenkte.
Er erreichte das Algorai und blieb vor dem Tor stehen. »Hier ist Gotarim Kunosh«, rief er laut. »Ich habe wichtige Informationen für euch!«
Er brauchte nicht lange zu warten, bis das Tor geöffnet wurde und ein Morax herauskam. »Was ist?«, fragte der unwirsch. »Hast du schon wieder Probleme mit dieser Sikona?«
»Ja, das auch«, gab Kunosh zu. »Aber ich habe viel Wichtigeres zu berichten. Es sind Fremde in der Siedlung, die unsere Ordnung stören. Sie behaupten, ihr seid keine Diener der Götter und haltet die Auserwählten hier gefangen. Und Sikona«, es fiel Kunosh selbst jetzt schwer, es auszusprechen, »sie behauptet, hier im Algorai gewesen zu sein und bestätigt jetzt deren Lügen.
Ihr müsst etwas tun, sonst … sonst … wird alles zerstört!«
»Wir kümmern uns darum«, versprach der Morax.
Sikona war, kaum dass sich das Tor geöffnet hatte, an Kunosh und dem Morax unbemerkt vorbeigeschlüpft und sah sich um. Die Rhukapai waren immer noch damit beschäftigt, die Tiliki-Früchte zu ernten. Und zu Sikonas Glück befand sich der Fremde – Kikku’h – mitten unter ihnen.
Die Rhukapai sah sich um. Sie hatte nicht viel Zeit, um ihn hier herauszuholen. Genau genommen nur so viel, wie Kunosh brauchte, um dem Morax seine Informationen zu geben. Sobald Kunosh ging und der Morax sich wieder ins Algorai zurückzog, würde dessen Tür geschlossen und sie säße erneut hier fest. Also war Eile geboten.
Sie ging direkt zu Kikku’h hin und stellte sich neben ihn. »Nicht erschrecken«, sagte sie leise in den Translator hinein.
Doch das war zu viel verlangt von einem Mantiden, dessen Nerven ohnehin schon blank lagen durch die fortschreitende Todesangst, die der stetig zunehmende Selenmangel ihm verursachte. Kikku’h machte einen Satz zur Seite, als aus dem Nichts heraus neben ihm eine Stimme ertönte, geriet aus dem Gleichgewicht und fiel rücklings zu Boden. Dass er dabei mit allen Gliedmaßen in der Luft zappelte, löste unter den umstehenden Rhukapai Heiterkeit aus, wie ihre jetzt orangefarben schillernde Haut zeigte. Die Freude hielt nicht lange an, da sie gleich darauf grau vor Angst wurden, als die Morax-Aufseher sie brüllend wieder an die Arbeit trieben.
»Ganz ruhig!«, flüsterte Sikona eindringlich neben ihm. »Ich komme, um dich zu befreien. Deine Freunde gaben mir einen Translator. Verhalte dich ruhig!«
Kikku’h hatte immerhin noch genug Verstand, die Situation sofort zu erfassen. Er rappelte sich mühsam wieder auf.
»Tu so, als würdest du weiterarbeiten und dann bück dich so tief, dass die Tiliki-Stauden deinen Körper verdecken. Schnell!«
Kikku’h gehorchte und verkniff sich die Frage, wieso er denjenigen, der mit ihm sprach, nicht sehen konnte.
»Du bist sehr groß, und es wird schwierig werden«, sagte die Stimme jetzt. »Aber ich werde meinen Körper über deinen legen. Erschrick nicht. Und wenn ich es dir sage, laufe so schnell du kannst direkt zum Tor. Niemand wird dich sehen können, solange ich über dir bin.«
Kikku’h verkniff sich auch jetzt jede Frage oder Bemerkung. Er spürte, wie etwas sich wie ein Tuch über ihn legte, das sich lang streckte und durchsichtig wurde, sodass er die Umgebung nur noch wie durch einen milchigen Schleier erkennen konnte.
»Los!«, befahl die Stimme, und Kikku’h rannte, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war, auf das offene Tor zu. Die Tür wurde von dem Morax, der dort mit einem Rhukapai stand, gerade wieder geschlossen. »Pass auf, dass du keinen von beiden umrennst«, warnte die Stimme.
Doch dieser Aufforderung hätte es nicht bedurft. Obwohl Kikku’h vom Selenmangel geschwächt war, mobilisierte er all seine Kräfte und schaffte es, sich genau
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