Sternenkinder
ausströmende Energie. Dies war Leben und Tod – dies war der Krieg.
Und das erbarmungslose Bombardement ging immer noch weiter. Pirius drückte sein Gesicht in den Schmutz, aber er konnte ihm nicht entrinnen. Es ging direkt durch ihn hindurch, arbeitete sich tief in seine Knochen hinein, in seine Nerven, bis es ihm so vorkam, als hätte er nie etwas anderes gekannt.
Dann gellte ihm ein schriller Pfiff in den Ohren. Es war Paces Kommando: Sie sollten den Graben verlassen.
Pirius erlaubte sich nicht, darüber nachzudenken. Er deaktivierte seinen Trägheitsgürtel. Er zerrte an seinem Gepäck, einem klobigen Erste-Hilfe-Kasten und einer Kommunikationsstange, scharrte mit einer behandschuhten Hand im Schmutz und zog sich über den Rand des Grabens.
Wie ein Ballon schwebte er in ein Feld horizontaler Lichtstrahlen hinein. Überall um ihn herum stiegen andere Soldaten empor; sie schwammen alle im Licht.
Aber die von links kommenden Sternzertrümmerer schnitten in sie hinein. Leiber platzten auf, Blut spritzte in den Raum und gefror sofort. Pirius fiel durch ein Vakuum voller Feuerfäden, eine vollkommen unmenschliche und tödliche Umgebung. Es war wie ein Traum, ein Blutbad im Licht. Es schien ihm unmöglich, das zu überleben.
Er krachte erneut in den Asteroidenstaub, heruntergezogen von seinem auf zwei g eingestellten Trägheitsgürtel. Nun befand er sich in einer flachen Senke, vielleicht einem Krater; er hätte sogar natürlichen Ursprungs sein können, eine alte Einschlagsstruktur. Zu seinem Erstaunen war er noch am Leben.
Ein Körper fiel schwer auf ihn. Es war Cohl. Selbst durch die dicken Schichten ihres strahlengeschützten Anzugs konnte er sehen, dass sie schwer atmete.
»Wie viele sind gefallen?«, blaffte er.
»Ich weiß nicht. Vier, fünf?«
Schon fünf Tote, in diesen ersten Momenten.
»Es hätte auch uns treffen können«, keuchte sie verwundert. »Oder mich. Es war einfach Glück.«
»Hast du jemanden zurückschießen sehen?«
»Nein. Nein, niemanden.«
Sie waren dazu ausgebildet worden, mit Verlusten zu rechnen. Aber das Sperrfeuer hätte das Gelände vor ihnen säubern sollen. Es lief nicht so wie geplant.
Er dachte über das Feuermuster nach, das er gesehen hatte. »Das Feuer kam von links. Von einer Stellung hinter dem Einschlagsbereich der Granaten. Irgendwas stimmt nicht. Das Sperrfeuer hätte diese Stellung ausradieren müssen.«
Cohl schien nicht zuzuhören. Sie hob neugierig den Tornister hoch. Ein Loch war glatt hindurchgestanzt worden.
»Die Wächter hat’s erwischt.« Die laute Stimme klang nach einer der Tilis.
»Welche Einheit?« Und das war der Corporal, Pace; offenbar lebte er noch.
»Links von uns. Ich kann sie von hier aus sehen. Allesamt ausgelöscht.«
Jetzt meldeten sich auch andere Stimmen aus Paces Zug und einem weiteren in der Nähe zu Wort. »Rechts von uns auch.« – »Wir sind hier ganz allein.«
Es kam Pirius unmöglich vor, dass Wächter – arrogante, elitäre Wächter mit ihren perfekt sitzenden, makellosen Uniformen, ihren Gräben, die so gerade und so sauber konstruiert waren wie geometrische Übungen, und ihrem unerschütterlichen Selbstvertrauen –, dass Wächter so leicht gefallen waren.
Er versuchte nachzudenken. Das Sperrfeuer hatte also nicht funktioniert. Vielleicht war etwas mit dem zeitlichen Ablauf schief gegangen. Vielleicht fielen die Monopolgranaten am falschen Ort, entweder weit hinter den Xeelee-Stellungen, ohne Schaden anzurichten, oder sie kamen womöglich sogar auf menschliche Truppen herunter. Die Mängel des Sperrfeuers hatten zumindest einigen Xeelee-Einheiten erlaubt zu überleben, und in dem Moment, als die Infanterie sich ins Freie hinauswagte, hatte der Feind sich die Ziele nach Belieben aussuchen können. Jetzt war die Linie unterbrochen; die Überlebenden waren ungeschützt, sie wurden weder auf der linken noch auf der rechten Seite gedeckt. Jeder wusste, dass ein ungleichmäßiger Vormarsch schlimmer war als gar kein Vormarsch, weil man damit seine Flanke freilegte.
Pace meldete sich auf dem Zugkanal. Die Stimme des Corporals klang rau. »Wir müssen weiter«, sagte er.
Pirius kannte die Theorie. Das »kriechende Sperrfeuer« vor ihnen war ein weit gespannter Vorhang, der kontinuierlich im Schritttempo vorrückte. Die Infanterie sollte unmittelbar dahinter folgen, um die Überreste aufzuwischen, bevor die Xeelee-Waffen eine Chance hatten, sich zu erholen. Deshalb mussten sie weiter, damit die Distanz zum schützenden
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