Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied
willigte Danior ein. Bestimmt würde es nicht erschütternder als das sein, was er eben gehört und gesehen hatte.
»Ja.« Jhaviir schritt zu seinem Platz zurück und hob die Arme. Daniors Erklärung einschließlich der Ausschmückungen Jhaviirs ertönte gewaltig über die Rauhen Länder. Die Mitglieder des Größeren Clans schlossen ihre schwieligen Hände um ihre Waffen, kreischten vor höhnischem Vergnügen und stampften mit den Füßen. Tedni schaute
strahlend auf Danior.
Glücklicherweise war der nächste Teil des Rituals die Aufteilung des Überflusses. Tedni machte sich auf, sich einer Gruppe älterer Kinder anzuschließen. Sie kehrten mit Platten zurück, die mit Früchten, Fleisch und Wasserkrügen beladen waren. Danior setzte sich aufatmend hin und aß. Jhaviir hockte in einiger Entfernung allein auf dem Boden, während die Mitglieder des Größeren Clans bedient wurden; sein eingeöltes Gesicht wirkte kühl, unergründbar.
Und die Sonne brannte auf sie hinab.
Die Sonne brannte auf sie hinab, und Jhaviir setzte seine Rede fort. Tedni kehrte zurück und übersetzte sie heiser. »Er erzählt ihnen jetzt etwas über die Barohna. Darüber, wie sie den ganzen Weg vom Warmstrom auf sich genommen hat, weil sie ihn suchte; darüber, daß sie hier bleiben wird, so-Lunge man sie respektiert; über die Dinge, die sie zu tun vermag, wenn wir tapfer, wenn wir stark genug sind.« Tedni warf Danior einen herausfordernden Blick zu, seine mageren Finger schlossen sich um das Messer an seiner Taille. Du hast gesehen, wir sind hier sehr stark. Wir sind sehr tapfer. Und wir arbeiten in unseren Gärten.«
»Ich habe die Gärten in eurem
han-tau
gesehen«, stimmte ihm Danior zu, während er die gespannten Gesichter des Größeren Clans studierte.
»Bleib hier, dann wirst du meinen eigenen Garten sehen. Und er sagt weiter, daß er daran denkt, seinem Rauth-Sohn dir – ein Zeichen seiner Wertschätzung zu geben, doch kein Zeichen könnte so hell strahlen wie der Gedanken-Stein.« Tedni fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, er starrte auf den Stein. »Wenn ich wirklich in irgendeinem Grad dein Bruder bin ...«
»Du kannst den Stein einmal halten. Bei einer anderen Gelegenheit.«
Tednis Augen blitzten befriedigt auf, während er seine geflüsterte Übersetzung fortsetzte. »Doch Keva Marlath, Flamme von Marlath, besitzt keinen Gedanken-Stein, der an ihrem Hals aufleuchtet. Sie ließ zu, daß die Zollidars ihn ihr stahlen, so daß wir Augen in den Lagern der Kleinen Clans haben. Sie überlistete die Zollidars, und sie trugen den Stein ahnungslos mit sich fort. So daß sie jetzt keinen Stein besitzt.
Und so ist es ihm ein besonderes Vergnügen, ihr etwas zu überreichen, das all die Jahre ihm gehört hat; zwar etwas von geringem Wert, das aber von Herzen kommt. Er überreicht es ihr mit dem Versprechen seines Volkes, daß es sich ihrer und jeder Kraft, die sie sich entschließt, zu ihrem Nutzen anzuwenden, würdig erweisen werde. Er gibt es ...« Tedni zuckte zusammen und starrte zu Danior empor, als sich dessen Finger in seinen Unterarm gruben. »Bruder ...«, klagte er.
Danior lockerte den Griff, sein Mund öffnete sich zu einem Protest. Denn noch bevor Jhaviir in sein Gewand griff, war ihm klar, was er herausholen würde. Was er beabsichtigte, Keva in aller Öffentlichkeit, wo sie es nicht ablehnen konnte, zu übergeben. Er hatte es bereits vorher vermuten sollen, doch er war abgelenkt gewesen, hatte nur halb zugehört.
Wußte sie, was es war; dieses mit Gravuren versehen. Steinarmband, das er am vorigen Abend an Jhaviirs Handgelenk gesehen hatte? Wußte sie, daß ihre Mutter die Sonne darin gespeichert hatte? Daß sie Schnee und Eis eines ganzen Tales damit geschmolzen und so ein Frühlingshochwasser geschaffen hatte, das so tief war, daß man die Felder eindämmen mußte, um zu verhindern, daß der Boden fortgespült wurde? Wußte sie, daß das Geschenk, daß Jhaviir ihr überreichte, eines der mächtigsten Werkzeuge einer Barohna war?
Danior stellte sich unwillkürlich auf die Zehenspitzen, doch ein rascher Blick über die versammelte Menge ließ die Warnung in seiner Kehle ersterben. Jhaviir wußte so gut wie er um die Gefahr. Doch Jhaviir ließ die Menschen keine Unsicherheit sehen. Während Danior noch hinschaute und mühsam um seine Fassung rang, geleitete Rezni Keva nach vorn. Jhaviir ergriff ihren Arm, zog sie mit sich und bannte Danior mit einem warnenden Blick.
Nicht hier – sag hier nichts!
Danior
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