Sternenwind - Roman
Reden freibekommen?«
Ich sah die anderen an. Plötzlich fühlte ich mich erschöpft, ausgezehrt. Ich wollte mich nicht für meine Entscheidungen rechtfertigen, ich wollte einfach nur allein sein, um nachzudenken … über Joseph in seinem schimmernden Pilotenmantel, über Nava und wie ich sie dazu bringen konnte, uns zu sehen statt ihre Angst vor uns … Jeder einzelne Punkt, über den ich nachdenken musste, erschöpfte mich. »Ich … muss mich auf morgen vorbereiten. Ich werde einen kleinen Spaziergang machen. Vielleicht da draußen.« Ich zeigte auf die schwarzen Stoppeln. »Ich möchte allein sein.«
Akashi betrachtete die verkohlte Fläche rund um den Beton. »Nicht allein. Nimm wenigstens Liam mit. Paloma und ich werden Wache halten.« Er musterte die schwarze Ebene im blassen Sternenlicht. »Mit Stiefeln müsste es gehen. Pass auf heiße Stellen auf. Du erkennst sie an weißer Asche. Wo es schwarz ist, müsste es jetzt einigermaßen sicher sein. Und geh nicht so weit weg, damit wir dich in Sichtweite behalten können.«
»Danke.« Und was war mit Alicia? Ich wollte nicht, dass sie uns begleitete. Ich wollte nicht einmal Liam bei mir haben, nicht jetzt. Alicias rastlose Energie würde mich nur ablenken. Aber sie brauchte irgendeine Beschäftigung. »Alicia, könntest du nach den Gebras sehen? Vergewissere dich, dass sie schnell gesattelt werden können, und pack Vorräte und Wasser für ein paar Tage zusammen, damit wir zu Nava reiten können. Würdest du das tun?«
Sie kniff leicht die Augen zusammen, und ich machte mich auf Widerspruch gefasst. Doch dann nickte sie nur und verschwand in Richtung Gehege.
Liam sah mich mit zärtlichem und besorgtem Blick an. Es war Sorge um mich.
Ich schluckte, denn ich konnte meine Augen nicht von ihm losreißen.
»Komm mit«, sagte er. »Ich möchte zuerst etwas holen. Ich bin dir noch etwas Unterricht auf der Flöte schuldig.«
»Flöte?« Ich runzelte die Stirn, da ich im Moment nicht in der Lage war, mich mit Flöten zu beschäftigen. Es ging um den Frieden in Artistos, um den drohenden Verlust meines kleinen Bruders, um Alicia und Jenna und das Raumschiff …
Er lachte – wahrscheinlich über meinen Gesichtsausdruck. »Ich bin dir noch eine Lektion schuldig. Erinnerst du dich, wie ich dir die Flöte geschenkt habe? Gönn dir eine Pause, etwas Entspannung. Selbst Jenna hat gesagt, dass du dich ausruhen solltest.«
Akashi schlug seinem Sohn auf den Rücken. »Gute Idee, Liam. Beschäftige sie mit irgendetwas, das nichts mit unseren Problemen zu tun hat.« Er sah mich an, und seine Augen waren genauso besorgt wie Liams. »Wenn du dem verwirrten Teil deines Gehirns die Möglichkeit gibst, an etwas anderem zu arbeiten, erhält die wahre Weisheit manchmal die Chance, an die Oberfläche zu kommen, Chelo.«
Liam führte mich zu den Taschen, und ich holte die Flöte hervor, die er mir gegeben hatte. Er kramte in seinen Sachen und zog ein langes schmales Bündel hervor, das in ein braunes Tuch eingeschlagen und mit einem gelben Band verschnürt war. Dieses Bündel öffnete er mit einer Hand, und zum Vorschein kam eine Flöte aus Dunkelholz, in die kleine Steine eingearbeitet waren. »Ich weiß gar nicht genau, warum ich sie eingepackt habe, aber es … fühlte sich irgendwie richtig an.« Er hielt mir die Flöte hin und drehte sie, so dass die Steine funkelten. »Siehst du, wie manche Steine im Licht die Farbe wechseln? Einige sind Kristalle. Akashi und ich haben sie gemeinsam gemacht, als ich zehn Jahre alt war. Ich habe alle Steine selbst gesammelt, hauptsächlich in Bachbetten.« Er zeigte auf einen milchigen Stein mit blitzenden azurnen und goldenen Flecken. »Dieser hier lag am Fuß eines Wasserfalls.«
Ich nahm die Flöte und strich mit den Fingern über die kleinen runden Steine. »Sie ist hübsch.« Das Holz war so geschnitzt, dass die Steine wie ein Fluss oder eine Schlange aussahen, eine farbige Spirale, die sich um das Holz herumwand. Nur der obere Teil war ausgespart, wo die kleine Reihe der Grifflöcher angebracht war. Vorsichtig gab ich ihm die Flöte zurück. »Lass uns gehen.«
Er verbeugte sich übertrieben, wobei sein Zopf fast den Betonboden berührte. Eine Geste, die für die Bühne am Geschichtenabend gedacht war. Er beendete sie mit einer gezierten Handbewegung. »Nach dir.«
Ich weiß nicht, warum ich es lustig fand, aber es amüsierte mich. Ich lachte, und es kam tief aus dem Bauch. Dann lief ich mit schnellen Schritten los und
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