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Sternenwind - Roman

Sternenwind - Roman

Titel: Sternenwind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Seite wuchtete, während Liam die Rotbeerensträucher leise und mühelos wegschaffte.
    Ruth war groß und schlank, nur ein wenig jünger als Akashi. Sie hatte volles dunkles Haar, das von grauen Strähnen durchzogen war, und ein schmales Gesicht. Sie marschierte zielstrebig auf die Bühne und kam sofort zur Sache, ohne wie Akashi eine Show abzuziehen. Sie sprach langsam und angespannt, als müsste sie ihre Emotionen unterdrücken. »Es war ein schwieriger Sommer für uns. Es fing gut an, doch dann verloren wir recht früh ein Mitglied unserer Sippe, meinen Neffen Varay.«
    Die Menge raunte. Von Gene hatten wir gehört, aber noch nicht von Varay. Ich erinnerte mich kaum an ihn, ein junger Mann, etwa in Alicias und Liams Alter, mit großen dunklen Augen, die uns ständig voller Neugier zu betrachten schienen.
    »Varay stürzte von einer Klippe. Sein Tod hat uns tief betrübt.«
    Ruth stand schweigend da und ließ uns den Tod und ihre Trauer spüren. Kurz bevor die Stille unerträglich wurde, fuhr sie fort: »Und dann verloren wir Gene Wolk beim Erdbeben. Wir waren nicht im Freien, sondern kamen gerade von der Silberquelle herunter und wollten eine Lichtung überqueren. Die letzten Wagen waren noch auf dem recht steilen Weg am Hang. Gene bildete die Nachhut. Die erste Erschütterung spürten wir kaum, aber die zweite löschte den Weg unter Genes Wagen aus, so dass er in einen Erdspalt stürzte und starb.«
    Natürlich starben immer wieder Vagabunden, fast jedes Jahr. Da draußen war es viel gefährlicher als in den Datennetzen und innerhalb der Stadtmauern von Artistos. Am Geschichtenabend wurde von den Toten erzählt, aber sie waren nie das Hauptthema. Die Vagabunden trauerten auf ihre Art um sie.
    Also kam Ruth nun zum nächsten Punkt und stellte einen neuen Tee vor, den ihre Sippe aus einer Mischung verschiedener Gräser hergestellt hatte und der Verdauungsbeschwerden linderte. Dann berichtete sie von drei neuen Insektenarten, die alle bissen oder stachen. Die Ostsippe hatte nichts zu bieten, das an die Drachenvögel herankam. Bislang unbekannte Tiere, die größer als eine Hand waren, wurden auf Fremont nur noch sehr selten entdeckt, nachdem der Planet seit fast zweihundert Jahren von Menschen erkundet worden war.
    Akashi kehrte zurück, um die restlichen Geschichten der Westsippe zu erzählen. Sie hatten einen großen aasfressenden Vogel gefangen, den sie Flammenflieger genannt hatten. Wir hatten Zeichnungen dieser Tiere gesehen, aber nie zuvor hatte man einen einfangen können. Obwohl er nur die Hälfte der Flügelspannweite der Drachenvögel erreichte, kreischte er wütend in seinem Käfig.
    Die kleineren Kinder zogen sich ängstlich von der Bühne zurück.
    Akashi sah sie an und sagte mit sehr sanfter Stimme: »Fürchtet euch nicht vor Wissen.« Er machte eine kurze Pause. »Solange der Flammenflieger im Käfig steckt, ist er nicht euer Feind. Er lebt in der Nähe des Zornberges und ernährt sich von Tieren, die dort getötet wurden, wo das Blut der Berge und das Meerwasser zusammenfließen. Wir werden ihn an einer Stelle freilassen, wo er den Weg nach Hause findet. Er wird euch hier keine Schwierigkeiten machen. Der Vogel kreischt, weil er Angst vor euch hat.« Wieder hielt er für die Dauer eines Herzschlags inne. »Ihr solltet immer daran denken, dass Mangel an Wissen euch schneller töten wird als die Suche nach Wissen.«
    Danach trauten sich einige der kleinen Kinder wieder etwas näher heran und betrachteten den Vogel.
    Als die Vorführungen vorbei waren, gingen die Familien mit Kleinkindern nach Hause. Die anderen blieben und genossen spätsommerliche Beeren in Ziegenmilch.
    Liam kam an unseren Tisch und setzte sich für einen Moment. Er schien rundum mit sich selbst zufrieden zu sein. Lächelnd und mit funkelnden Augen sah er mich an. »Sehen wir uns morgen beim Markt?«
    Der Tag nach der Rückkehr der Vagabunden war jedes Mal ein Feiertag für ganz Artistos. Zum ersten Mal seit Wochen freute ich mich wieder auf etwas. »Ich werde dich schon finden.« Dann erinnerte ich mich an die anderen. »Wir alle werden kommen. Und falls dir Alicia über den Weg läuft, sag ihr, dass wir uns freuen würden, auch sie wiederzusehen.«
    Für einen Moment wurde Liams hübsches Gesicht durch Sorgenfalten auf der Stirn verdüstert. »Ich werde sehen, was sich machen lässt. Aber sie wird gut bewacht, als könnte ihr Gehorsam gebrochen werden, wenn ich auch nur ein Wort zu ihr sage.«
    »Könnte das passieren?«, fragte

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