Sterntaler: Thriller (German Edition)
reichen, ihn vor den Untersuchungsrichter zu bringen. Da die Polizei parallel mit mehreren Tatverdächtigen arbeitete, war es also nicht angeraten, in einem so heiklen Fall gleich mit Festnahme und Untersuchungshaft zu kommen. Zudem war Peder immer noch neugierig auf den Tutor Gustav Sjöö.
Doch Alex hatte entschieden, dass Håkan Nilsson auf jeden Fall zu einem Verhör einbestellt werden sollte. Sie mussten ihn über das Kind befragen wie auch über den Verdacht, dass er das Sexgerücht in Umlauf gebracht hatte.
Peder parkte vor dem Betrieb, in dem Håkan Nilsson arbeitete. Zusammen mit einem der Kollegen ging er zum Eingang hinüber, der andere blieb draußen und hielt die Türen im Blick. Schilder in grellen Farben wiesen ihnen den Weg zur zweiten Etage, wo sich der Empfang des Unternehmens befand. Peder und der Kollege nahmen die Treppe. Immer zwei Stufen auf einmal. Geschmeidige Schritte nach vielen Stunden im Fitnessstudio und auf der Laufbahn. Schwarze Schuhe und Bluejeans. Für ein geübtes Auge war nicht schwer zu erkennen, dass sie Polizisten waren.
Die Frau an der Rezeption bemerkte es nicht. »Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie freundlich.
Peder und der Kollege wiesen sich aus und erklärten leise ihr Anliegen. Die Frau erbleichte, wies ihnen aber sofort den Weg durch die Bürolandschaft hinüber zu Håkan Nilssons Schreibtisch.
Er hatte ihnen den Rücken zugekehrt, trug Kopfhörer und tippte konzentriert vor sich hin, den Blick auf den Bildschirm geheftet. Dass sie sich näherten, hörte er nicht, und er fuhr zusammen, als Peder eine Hand auf seine Schulter legte.
»Hallo. Würden Sie bitte mit uns mitkommen? Wir müssen noch einmal mit Ihnen reden.«
Der Verhörraum war zu klein, zumindest fühlte es sich so an. Ehe er hineinging, rief Peder Ylva an.
»Ist etwas passiert?«, fragte sie. Die Sorge in ihrer Stimme deutete darauf hin, dass Peder noch nicht lange die Gewohnheit pflegte, während der Arbeit von sich hören zu lassen.
»Nein, gar nicht. Ich wollte eigentlich nur anrufen und Hallo sagen. Deine Stimme hören.«
Er spürte ihr Lächeln.
»Das freut mich aber.«
Unterschätzen Sie nicht die einfachen Dinge, die nichts kosten.
Das hatte die Therapeutin gesagt, bei der Peder voriges Jahr gewesen war. »Die kleinen Einsätze sind es, die das Ganze ausmachen, die Sie retten, wenn Sie einmal lange arbeiten müssen.«
Am Ende hatte Peder angefangen, auf die Therapeutin zu hören. Er hatte eingesehen, wo seine Defizite lagen. »Aber ich kann niemals ein völlig anderer werden.«
»Das möchte auch niemand. Aber Sie können in den Dingen besser werden, die Ihnen momentan noch nicht so gut gelingen. Zum Beispiel in Ihren persönlichen Beziehungen.«
Peder bekam Magenschmerzen, wenn er an die Zeit dachte, als er von Ylva getrennt gelebt und nicht gewusst hatte, wie er die Tage rumkriegen sollte. Inzwischen war es viel besser geworden, sie waren auf dem richtigen Weg und würden das Leben wieder in den Griff kriegen.
»Übrigens hat Jimmy angerufen«, erzählte Ylva. »Er will am Wochenende vorbeikommen. Ich habe gesagt, das geht in Ordnung.«
Jimmy, Peders Bruder, der nach einem Unfall in der Kindheit nie erwachsen werden würde. Trotzdem konnte Peder manchmal nicht umhin, den Bruder um sein Leben zu beneiden. Die Sorglosigkeit, die Jimmys Dasein prägte, musste einfach jeden dazu bringen, darüber nachzudenken, was im Leben wichtig war. Jimmys Welt war auf seine Wohngruppe beschränkt, und so ging es ihm am besten. In der Welt des Bruders gab es keine jungen Frauen, die mit der Motorsäge zerteilt wurden, das wusste Peder mit Sicherheit.
Er beendete das Gespräch mit Ylva und ging zusammen mit Alex in den Verhörraum.
Håkan Nilsson wartete dort gemeinsam mit einem Anwalt, der für ihn gerufen worden war. Der Blick war starr, das Gesicht müde. Man sah ihm an, dass er mehrere Nächte hintereinander schlecht geschlafen hatte. Seine Hände bewegten sich ruckartig wie die Flügel eines verletzten Vogels, mal lagen sie auf dem Tisch, dann wieder auf dem Schoß. Manchmal fasste er sich ins Gesicht.
Alex begann das Verhör, indem er die konkreten Verdächtigungen benannte, die die Polizei gegen Nilsson hegte.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Håkan Nilsson. »Ich bin mehrere Male hier gewesen. Habe gut mit Ihnen zusammengearbeitet. Warum hätte ich das tun sollen, wenn ich derjenige gewesen wäre, der sie umgebracht hat?«
»Das fragen wir uns auch«, sagte Alex. »Aber ich denke,
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