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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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eine sorgfältig aufgebaute Entschuldigung, die du dir selbst dafür gibst, daß du noch am Leben bist.“
    Ein paar kurze Augenblicke lang dachte er, sie werde ihn erschießen; doch dann fing sie plötzlich an zu lachen. Es war ein schrilles, hysterisches Lachen. Die Art Lachen, dachte Greville, das man sich leisten würde, wenn man schockiert oder verletzt war, oder wenn man Angst hatte.
    „Du bist ein selten blödes Stück“, sagte Liz. „Glaubst du vielleicht, ich quäle mich monatelang mit Alpträumen herum – und all das wegen einer Frau, die es gar nicht gibt?“
    „Ja. Wir sind alle leicht verrückt, oder wir wären nicht hier. Vielleicht paßt es dir, wenn du eine eingebildete Schwester hast. Was weiß denn ich, vielleicht hast du ja eine gehörige Portion Schizophrenie abbekommen.
    Jane ist vielleicht nur deine eigene private Therapie – du nimmst alle möglichen Übel und Erniedrigungen auf dich, bloß weil du dich schuldig dafür fühlst, daß du noch am Leben bist. Vielleicht hattest du sogar wirklich eine Zwillingsschwester. Vielleicht ist sie gestorben. Welchen Beweis hast du denn, daß du nicht nur psychologische Spielchen spielst?“
    „Ich brauche für nichts und niemanden einen Beweis“, sagte Liz einfach. „Für mich ist Jane real, und nur darauf kommt es an. Und ich muß sie finden … Erinnerst du dich noch an den Morgen auf der Chelsea-Brücke? Verdammt noch mal, glaubst du vielleicht, ich hätte solche Risiken nur aus Spaß auf mich genommen?“
    „Warum nicht?“ gab Greville zurück. „Ich hatte ja auch einen völlig schwachsinnigen Grund dafür, daß ich auf der Brücke war. Warum solltest du nicht genauso verrückt sein wie ich?“
    Liz lachte. „Das bringt uns alles nichts ein. Das einzige Problem, das zur Zeit ansteht, ist, ob ich dir eine Kugel in den Bauch schicken soll oder ob ich in Frieden ziehen kann … Wie ich bereits gesagt habe: Du kannst mich aufhalten. Aber dann gibt es ein nächstes Mal, und dann kannst du mich nicht mehr aufhalten, das lasse ich nicht zu.“
    Greville sah sie an und dachte an die schöne Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, erinnerte sich an die leidenschaftlichen Nächte, an ihren unersättlichen Hunger nach Musik, die Gefahren, die sie geteilt hatten, und an die Entdeckungen, die sie zusammen gemacht hatten.
    „Wo ist denn diese angebliche Jane?“ fragte er schließlich. „Haben dir deine Alpträume, Einbildungen, oder was es auch immer ist, einen Ort auf der Karte gezeigt?“
    „Sie ist in einer Art Bordell bei Manchester“, antwortete Liz ruhig. „Es ist eine Art Keller – ich glaube, es ist unter der Bürgermeisterei oder so was. Sie halten sie in einem Käfig, und sie wird ungefähr viermal am Tag gevögelt, und wenn sie Glück hat, kriegt sie gerade genug zu essen. Aus dem Keller lassen sie sie aber nie heraus. Sie weiß nicht, ob draußen Sommer oder Winter ist. Sie glaubt, daß sie seit ungefähr einer Million Jahre dort ist … Sie ist krank.“
    „Das sieht ja geradezu wunderbar aus“, explodierte Greville. „Nehmen wir mal an, daß du dir das alles nicht nur in deinem kranken Hirn einbildest. Was willst du denn machen – den psychischen Strahlungen wie eine Lenkrakete folgen? Und selbst wenn du das schaffst, was kannst du denn schon groß machen, wenn du hinkommst? Allein alles zu Klump schießen? Verdammte Scheiße noch mal! Wenn du dich umbringen willst, warum marschierst du dann nicht einfach in den See?“
    „Vielen Dank für die aufmunternden Worte. Wenn ich gar nichts anderes machen kann, kann ich wenigstens zu ihr gehen. So könnten wir die Last teilen … Wenn du also keine weiteren aufschlußreichen Bemerkungen auf der Pfanne hast, packe ich jetzt meinen Kram zusammen – natürlich vorausgesetzt, daß du nicht zuerst erschossen werden willst. Ich brauche das Auto, denke ich, aber du dürftest eigentlich keine großen Schwierigkeiten haben, ein anderes zu finden, das noch funktioniert … Bleibt also nur noch die Frage, ob ich jetzt den Abzug durchziehe oder nicht.“
    „Du verrücktes kleines Luder“, sagte Greville ruhig. „Du elende kleine Fickmaschine.“ Er stand von dem Tisch auf, drehte ihr den Rücken zu und ging durch die Tür.
    „Wo zum Teufel gehst du hin?“ fuhr Liz ihn an.
    „Ich gehe die Scheißkarte suchen“, rief er über seine Schulter zurück. „Irgendwo habe ich noch eine. Wenn wir unser trautes Heim hier schon auflösen und nach Manchester fahren – was so ziemlich die

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