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Stimmen aus dem Nichts

Stimmen aus dem Nichts

Titel: Stimmen aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Minninger
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schätzen.« Jetzt krachte es draußen so laut, dass Bob den Donner in seinem Bauch spüren konnte.
    »Dem ist aber nicht so«, half ihm die Psychotherapeutin weiter.
    »Sie haben es erfasst.«
    Wieder sahen sich die beiden einen Moment schweigend an.
    »Was ist vorgefallen?«
    Bobs Herz schlug nun schneller.
    »Komm schon.« Dr. Franklin blieb ruhig und geduldig. »Was ist los?«
    »Ich. . . ich habe mich in ein anderes Mädchen verknallt.«
    Nun war es raus. Doch Bob fühlte sich in keinster Weise befreit. Ganz im Gegenteil. »Sie will mich aber nicht«, fügte er tonlos hinzu.
    Die Psychotherapeutin schob ihren Sessel näher an den Schreibtisch und stützte das Kinn auf ihre Hand. »Wie darf ich das verstehen?«
    »Da gibt es leider nichts zu verstehen. Ich war sicher. . .«, stammelte er. »Ich war mir wirklich sicher, dass sie meine Gefühle erwidert.«
    Nun wurde die Therapeutin neugierig. »Woraus hast du das geschlossen?«
    Bob pulte nervös an seinen Fingern. »Aus ihrer Art. Ihrer Schüchternheit oder Verlegenheit. Und überhaupt. . . wie sie mich anguckt.« Bob spürte in seiner Herzgegend einen leichten Stich. »Wenn sich unsere Blicke treffen, sackt der Boden unter meinen Füßen weg.«
    Bob musste sich eingestehen, dass er emotional stark berührt war. Dr. Franklin schien dies zu spüren und bemühte sich, ihrer Stimme einen sachlichen Tonfall zu verleihen. »Hast du mit ihr darüber gesprochen?«
    »Mehrmals«, erwiderte er. »Wir waren auch schon gemeinsam essen.«
    »Und?«
    Bobs Augen starrten ins Leere. »Es war grausam. Sie hat mir eine Abfuhr erteilt. Erste Reihe, erste Garnitur.«
    Ein Lächeln huschte über Dr. Franklins Gesicht. »Was meinst du damit?«
    »Dass es erniedrigender nicht sein konnte. Ich weiß ja nicht was Sie sich schon im Leben bieten lassen mussten, aber von einem Mädchen, in das man unsagbar verschossen ist, gesagt zu bekommen, dass man nicht ihr Typ ist und dass man sich keine Hoffnungen zu machen braucht, ist hart.«
    »Das klingt aber gar nicht schüchtern. Eher offen und direkt.«
    »Eben nicht.«
    Jetzt schaute die Therapeutin irrtiert drein. »Das ist interessant. Könntest du mir das genauer erklären?«
    »Ich glaube ihr nicht«, antwortete Bob knapp.
    »Und weshalb nicht?«
    Nun lehnte sich Bob im Sessel zurück und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster. Draußen tobte noch immer das Gewitter. »Weil ich keine Lederhaut habe, Dr. Franklin. Ganz einfach. Wenn ich jetzt meine Augen schließe«, versuchte er zu erklären, »bin ich in der Lage, Ihnen sagen zu können, ob ich Ihnen sympathisch bin oder nicht. In Ihren Fachkreisen nennt man das ›Sensibilität‹, nicht wahr?«
    »Ganz recht.« Die Psychotherapeutin nickte. »Doch du wärst nicht der Erste, der der Illusion erliegt, seine Liebe wird erwidert. Wenn man zurückblickt, dann. . .«
    »Ich will aber nicht zurückblicken«, unterbrach Bob schnell. »Ich traue meiner Wahrnehmung, und die sagt mir, dass mich das Mädchen mag. Sie heißt übrigens Brenda. Ich. . . ich meine doch nur, wenn ich meiner Wahrnehmung nicht mehr trauen kann, Dr. Franklin,. . . was bleibt mir dann noch?«
    Bob konnte sich nicht vorstellen, dass die Therapeutin umgehend eine Antwort zur Hand hatte. Er wurde aber eines Besseren gelehrt. »Ein ›Insichgehen‹«, kam über ihre schöngeformten Lippen. »Und dazu muss man zurückblicken. Ich glaube nämlich, dass nicht Brenda dich unglücklich macht, sondern eine andere, tief verwurzelte Ursache, die weit in deiner früheren Kindheit verborgen ist. Brenda ist höchstens das Ventil. Doch mit deinem Kummer hat sie im Grunde nichts zu tun.«
    Bob saß mit offenem Mund da. Dr. Franklins Worte brachten ihn für einige Sekunden aus der Fassung. »Damit wollen Sie mir also sagen, dass das, was mein Herz fühlt, falsch ist?« Und schroff fügte er hinzu: »Hat man Ihnen das wirklich so beigebracht?«
    »Dreh mir nicht das Wort im Mund herum«, erwiderte sie. »Jeder Mensch hat im Leben mit Liebeskummer zu kämpfen. Das gehört nun mal dazu. Du musst den Schmerz aber zulassen, denn nur so wirst du darüber hinwegkommen. In meinen Kreisen nennt man diese Phase ›Trauerarbeit leisten‹.«
    Bob erinnerte dieses Wort an ein Begräbnis, behielt diesen Gedanken aber für sich. »Es wäre schön, wenn Sie Recht hätten«, entgegnete er stattdessen trotzig. »Doch ich glaube, dass Ihre Diagnose mir nicht weiterhelfen wird. Denn das, was Sie mir weismachen wollen, bedeutet doch mit anderen Worten

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