Stimmen der Angst
vom Glas, das sie in der rechten Hand umklammert hielt, zu dem Messerhalter an der Wand neben der Spüle.
Die Eiswürfel im Glas stießen klirrend aneinander. Die blitzenden Edelstahlklingen der Messer leuchteten, als würden sie nicht nur Licht reflektieren, sondern es selbst ausstrahlen.
Martie stellte das Glas auf den Tisch, wischte sich die Hände an den Jeans ab und wandte die Augen vom Messerhalter ab. Fast im selben Moment wurde ihr Blick jedoch wieder in diese Richtung gezogen.
Sie wusste, dass sie zu keiner Gewalttätigkeit gegen andere fähig war, es sei denn, um sich selbst, einen geliebten Menschen oder ein hilfloses Opfer zu schützen. Und sie zweifelte auch daran, dass sie fähig war, sich selbst etwas anzutun.
Dennoch machte sie der Anblick der Messer derartig nervös, dass sie nicht ruhig sitzen bleiben konnte. Sie sprang auf, blieb erst unschlüssig stehen, ging dann ins Esszimmer, weiter ins Wohnzimmer, lief ruhelos hin und her und hatte dabei nur das eine Ziel, möglichst viel Abstand zwischen sich und den Messerhalter zu legen.
Nachdem sie irgendwelche Nippes herumgeschoben hatte, damit sie auch wirklich ordentlich an ihrem Platz standen, einen Lampenschirm gerade gerückt hatte, der gar nicht schief saß, und Kissen glatt gestrichen hatte, die überhaupt nicht zerdrückt waren, ging Martie in die Diele und öffnete die Haustür. Sie trat über die Schwelle auf die Veranda hinaus.
Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie die Erschütterungen spürte. Jeder Pulsschlag jagte ihr eine solche Sturmwelle durch die Adern, dass das Bild, das sich ihren Augen bot, mit der Brandung des Bluts pulsierte.
Mit weichen Knien ging sie bis zum Rand der Treppe. Dort stützte sie sich mit einer Hand am Pfosten der Veranda ab.
Wenn sie sich noch weiter von dem Messerhalter entfernen wollte, musste sie sich in den Sturm hinaus wagen, der mittlerweile allerdings nicht mehr von einem Wolkenbruch, sondern nur noch von einem Nieselregen begleitet wurde. Aber wohin sie auch ging, in welchen Winkel der Welt, ob bei schlechtem oder gutem Wetter, bei Tag oder bei Nacht, überall würden spitze Gegenstände sein, Gegenstände mit Schneiden und scharfen Zackenrändern, Instrumente, Geräte und Werkzeuge, mit denen man schreckliche Dinge tun konnte.
Sie musste ihre Nerven beruhigen, sich entspannen, diese seltsamen Gedanken abschütteln. Ruhe bewahren.
Lieber Gott, hilf mir!
Obwohl sie sich bemühte, langsam und tief durchzuatmen, ging ihr Atem immer schneller und unregelmäßiger.
Und als sie die Augen schloss, um in ihrem Innern Ruhe zu finden, war dort nur Aufruhr und abgrundtiefe Finsternis.
Sie würde sich erst wieder in der Gewalt haben, wenn sie den Mut fand, in die Küche zurückzukehren und sich mit dem zu konfrontieren, was die Angst ausgelöst hatte. Die Messer. Sie musste sich mit den Messern befassen, und zwar schnell, bevor aus dieser ständig stärker werdenden Angst echte Panik wurde.
Die Messer.
Widerstrebend kehrte sie der Treppe den Rücken, ging zum Haus zurück und öffnete die Tür.
Hinter der Schwelle lauerte drohend die Diele. Dieses Haus, ihr geliebtes, behagliches Heim, in dem sie die glücklichsten Jahre ihres Lebens verbracht hatte, kam ihr plötzlich so unvertraut vor wie das Haus eines Fremden.
Die Messer.
Sie trat über die Schwelle, zögerte einen Moment, schloss dann aber die Tür hinter sich.
20. Kapitel
Skeets Hände waren zwar immer noch hochrot, sahen aber nicht mehr so schlimm aus wie noch wenige Minuten zuvor. Er hatte sie sich auch nicht wirklich verbrüht. Tom Wong behandelte sie mit einer Kortisonsalbe.
Weil Skeet so völlig teilnahmslos war und auf seine Fragen nicht reagierte, nahm Tom ihm eine Blutprobe für einen weiteren Drogentest ab. Bei seiner Aufnahme in der Klinik hatte Skeet eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen müssen, bei der weder in seinen Kleidern noch in irgendeiner Körperöffnung versteckte Drogen entdeckt worden waren.
»Es könnte eine verspätete Nachwirkung der Substanzen sein, mit denen er sich heute Morgen vollgepumpt hat«, sagte Tom und verließ dann mit der Blutprobe das Zimmer.
In den vorangegangenen Jahren hatte Skeet in den schlimmsten Phasen seiner Sucht merkwürdigere Verhaltensweisen an den Tag gelegt als Donald Duck im PCP-Rausch, aber so etwas wie diesen glasigen, völlig apathischen Blick hatte Dusty noch nie an ihm gesehen.
Zu Hause waren sämtliche Polstermöbel für Valet tabu, aber Skeets Verfassung schien den Hund
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