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Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Titel: Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Brodie
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ich schicke gleich jemanden hinunter.«
    Wie dumm von ihr, dass sie gar nicht an die Schulordnung gedacht hatte. Wenn ein Schüler an zwei aufeinanderfolgenden Tagen fehlte, musste ein Elternteil ins Schulsekretariatkommen und die Hausaufgaben für das Kind abholen. Das war die Methode des Direktors, gegen das Schuleschwänzen vorzugehen   – er wollte sichergehen, dass die Eltern auch wussten, wie viel unerledigte Arbeit sich jeden Tag anhäufte, wenn ihr Kind fehlte. Eltern, die selbst Hausaufgaben abholten, warfen vielleicht auch einmal einen Blick darauf und fühlten sich verantwortlich dafür, dass sie vollständig gemacht und abgegeben wurden   – das hoffte der Direktor wenigstens.
    Grace sah ihre Ordner durch, nahm zwei Arbeitsblätter heraus und befestigte mit einer Büroklammer noch eine Notiz daran:
Löse die Aufgaben auf den Seiten 56   –   57 im Mathebuch und dann die Aufgaben mit den geraden Zahlen auf diesen beiden Blättern. Bereite Dich auf eine Klausur am Dienstag vor. Und melde Dich so schnell wie möglich bei mir.
Als kleines Geschenk für Vater und Tochter klemmte sie noch Maggies wiederholte Klausur an die Rückseite, mit einem großen roten A versehen.
Hervorragend.
    »Melissa?« Sie rief ihre zuverlässigste Schülerin herbei. »Bring das bitte ins Sekretariat hinunter.«
    Ein paar Minuten später, als ihre Klasse mit der Lösung einer Textaufgabe beschäftigt war, schaute Grace wieder aus dem Fenster und sah zu, wie Mr Greene davonfuhr. Es beunruhigte sie, dass Maggie ihretwegen nun schon drei Schultage versäumt hatte. Die Schüler waren vormittags ins Theater gegangen und hatten sich eine Aufführung von ›Viel Lärm um nichts‹ angesehen. Maggie versäumte also nicht nur Geometrie, ihr war auch eine schöne Unternehmung entgangen, und vielleicht fiel sie sogar im Lernstoff zurück. Wieder einmal schadete Grace dem Mädchen durch ihre schlichte Anwesenheit.
    Als es ein letztes Mal an diesem Tag geklingelt hatte und sich die übliche Wochenendödnis in der Schule auszubreiten begann, blieb Grace noch da und schrieb eine E-Mail .
     
    Maggie,
    ich mache mir Sorgen, dass Deine Abwesenheit Deine Noten beeinträchtigt.
     
    Nein, zu offiziell. Sie löschte die ganze Nachricht mit der Backspace-Taste und begann noch einmal.
     
    Maggie,
    wir müssen miteinander reden. Bitte melde Dich.
    Grace Murdock
     
    Sie runzelte die Stirn über ihre Unverblümtheit. Zahlen waren das einzige Vokabular, das Grace je beherrscht hatte. Mathematische Gleichungen waren ihre Sätze, Beweise waren ihre Kurzgeschichten. Im Vergleich dazu erschien ihr diese kleine Notiz geradezu kurz angebunden und primitiv.
    Grace seufzte. So viel Stress wegen einer Handvoll Silben. Sie warf dem Jesus auf ihrem Schreibtisch noch einen letzten flehenden Blick zu, dann klickte sie auf
Senden.

8
    »Hey, Maggie, da kommt gerade eine Mail.«
    Kate saß an Maggies Schreibtisch in deren Zimmer und sah sich auf dem Notebook ihrer Freundin YouTube-Videos an. Der Tisch, ein Exemplar aus weiß angestrichenem Holz mit Goldrändern und unechten Kristallknäufen an den Schubladen, war zu klein für Kates kräftige Beine; in seiner gedrungenen Verschnörkelung wäre er eher für eine achtjährige Prinzessin ideal gewesen. Oder vielleicht für eine entthronte Prinzessin, dachte Maggie, als sie die abgewetzten Rosen betrachtete, die in die Rückenlehne des Stuhls geschnitzt waren. Der dazupassenden Frisierkommode auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers fehlte die Hälfte der Knäufe, und der Spiegel war trübe geworden, sodass Maggie jedes Mal, wenn sie hineinsah, meinte, darin aufzutauchen wie in einer Filmrückblende.
    Seit einer halben Stunde lag sie nun im Bett und tat so, als wäre sie erschöpft. »Ich glaube, ich hab die Schweinegrippe oder so was   – dauernd Schüttelfrost und am Nachmittag immer Fieber, und meistens ist mir auch noch übel. Ich weiß nicht, ob es gut ist, dass du hier bist. Ich meine, ich freue mich natürlich, dass du mich besuchen kommst, aber das ist vielleicht ansteckend.«
    »Du hast die Shakespeare-Aufführung verpasst«, erwiderte Kate, unbekümmert von Schüttelfrost und Fieber. »Mrs Blake hat uns erzählt, dass das ›nichts‹ im Titel auf ein Loch anspielt und dass damit eigentlich das Loch einer Frau gemeint ist, weißt du. Das hat bei den Jungs so viel Interessegeweckt, dass sie während der Aufführung die Klappe gehalten haben. Aber sie haben jedes Mal gekichert, wenn die Schauspieler das

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