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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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er ihn ihr und sagte dabei scherzhaft: »Vielen Dank für die tolle Show. War echt geil.«
    Mareike las, faltete den Zettel zusammen und steckte ihn in die Hosentasche. Ohne ein Wort. Ihre Augen waren kalt und durchsichtig wie Eiswürfel. Nach ein paar Sekunden klammem Schweigen sagte sie: »Gehen wir.« Auf dem Weg nach draußen schaltete sie die Alarmanlage wieder an und schloss die Tür ab. Dabei sah Sascha, dass das, was er für einen Dietrich gehalten hatte, schlicht und einfach ein Schlüssel war. Wieder auf der Straße, sah es ganz so aus, als wollte Mareike sich nicht einmal von ihm verabschieden.
    »He«, sagte er da und hielt sie vorsichtig am Arm fest, »auch wenn es kein richtiger Einbruch war, ich fand’s trotzdem superspannend. Und die Zeichnungen sind toll! War echt ein geiler Abend.«
    Mareike reagierte nicht, sah ihn nur stumm an. Dann drehte sie sich um und stiefelte davon. Ohne ein Wort. Verblüfft schaute er ihr nach, bis sie hinter der Ecke verschwunden war. Ob er sie wiedersehen würde? Vielleicht wäre es besser, wenn sie sich nicht mehr meldete. Einfacher. Aber Mareike war definitiv kein Mädchen fürs Einfache. Nein, sie würde sich schon wieder melden.

24
    »SAG MAL, WEISST du eigentlich, wie spät es ist?«
    Sascha zuckte zusammen. Erwischt! Anscheinend hatte seine Mutter schon eine Weile auf ihn gelauert, so schnell wie sie aus dem Wohnzimmer geschossen kam. Wieso war sie überhaupt schon zu Hause? War heute nicht Kollegensport oder so was? Cool bleiben, hieß jetzt die Devise.
    »Keine Ahnung«, sagte er nach einer Schrecksekunde. »Elf oder so.«
    »Es ist halb zwölf. Wo warst du?«
    Er rollte innerlich mit den Augen. Wieso kehrte sie eigentlich nur dann die besorgte Mutter raus, wenn sie was an ihm auszusetzen hatte? Wenn er sie mal brauchte oder etwas wollte, hieß es schon seit Jahren nur: Du kommst ja klar, oder?
    Er zog seine Jacke aus und hängte sie an die Garderobe.
    »Na, sag schon: Wo warst du?«
    »Weg.«
    »Willst du mich verarschen?«
    »Nee.« Er gab sich kleinlaut. Besser kein Öl ins Feuer gießen, sonst musste er sich die halbe Nacht Predigten anhören.
    Ehe er sich eine plausible Erklärung ausdenken konnte, legte sie schon nach: »Okay, nächste Frage: Wieso ist dein Handy aus?«
    Weil Klingeltöne bei Einbrüchen nicht gut kommen.
    »Äh … Wir waren im Kino. Danach hab ich vergessen, es wieder einzuschalten.«
    »Man könnte auch vorher anrufen und Bescheid sagen. Und wer ist überhaupt
wir

    »Freunde eben. Ist das Verhör jetzt beendet?«
    »Ganz und gar nicht! Nur zur Erinnerung: Die Regel ist, dass du, wenn Schule ist, spätestens um zehn zu Hause bist; und falls nicht, dass du wenigstens anrufst.«
    Er hatte keine Lust auf so einen Streit. Was wollte sie eigentlich von ihm? Wenn er sich anschaute, was andere Jungs in seinem Alter so anstellten, konnte sie doch froh sein. Aber wahrscheinlich ging es ihr ohnehin nur darum, sich selbst zu beweisen, was für eine treusorgende Mutter sie war.
    »Tut mir leid, ich hab einfach nicht daran gedacht. Und du wolltest doch, dass ich dich nicht dauernd anrufe.«
    »Das ist doch dummes Zeug!«
    Er zuckte die Achseln. Wenn sie meinte.
    »Darf ich jetzt ins Bett gehen?« Mit spitzem Unterton fügte er hinzu: »Morgen ist schließlich Schule, und es ist schon ziemlich spät.«
    Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern schob sich an ihr vorbei und verschwand in sein Zimmer, wo er sich aufs Bett warf. Obwohl er nicht vorhatte, noch zu lesen, schnappte er sich einen Comic vom Nachttisch und schlug ihn blind an einer beliebigen Stelle auf. Nur um beschäftigt auszusehen, denn er hatte wenig Hoffnung, dass die Sache schon ausgestanden war. Und richtig. Nur Sekunden, nachdem die Tür hinter ihm zugefallen war, flog sie auch schon wieder auf.
    »Was ist bloß mit dir los?«, rief seine Mutter, die Arme in die Seiten gestützt. »Du warst doch früher nicht so. Redet Dr. Androsch dir irgendwas ein? Für diese Psychologen sind ja immer die Eltern an allem schuld.«
    Er starrte hartnäckig in sein Comicheft. »Keine Ahnung, was du meinst. Außerdem wolltest
du
, dass ich zu ihm gehe. Jetzt musst du auch mit dem Ergebnis leben.«
    Sie zögerte einen Moment, sagte dann etwas ruhiger, aber darum nicht weniger bestimmt: »Ich wünschte wirklich, ich hätte dich nicht zum Therapeuten geschickt; zumindest nicht zu diesem.«
    Er horchte auf. Was meinte sie damit?
    »Darüber wollte ich ohnehin mit dir reden, Sascha. Ich denke, dass du

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