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Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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gingen alle nach oben, und Mrs. Bennet empfing sie genau so, wie man es sich hatte denken können: mit Tränen, lauten Verwünschungen dieses Schufts von Wickham und mit so wehleidigem Jammern, daß kein Zweifel darüber blieb, wie elend und mitleidsbedürftig sie sich fühlte. Sie bedachte alle und jeden mit Vorwürfen und Anklagen, nur nicht sich selbst, die doch durch ihr gleichgültiges Gewährenlassen die Hauptschuld an dem Unglück ihrer Tochter trug.
    »Wenn ich nur meinen Willen hätte durchsetzen können«, klagte sie, »und mit meiner ganzen Familie hätte nach Brighton fahren dürfen, dann wäre so etwas niemals passiert! Aber so hatte das arme Kind, meine ärmste Lydia, niemand dort, der sie behüten konnte. Warum haben die Forsters nicht mehr auf sie achtgegeben? Ich weiß bestimmt, daß sie mein Kind vernachlässigt haben; unsere Lydia ist nicht von der Art, die so etwas tut, wenn nur jemand richtig auf sie aufpaßt. Ich war immer der Meinung, daß Mrs. Forster nicht geeignet sei, mein Kind in ihre Obhut zu nehmen, aber auf mich hat ja wie gewöhnlich niemand gehört. Mein armes, liebes Kind! Und jetzt ist mein Mann auch noch weggefahren, und ich weiß, wenn er Wickham findet, dann wird er sich mit ihm schlagen, und dann wird er getötet werden; und was soll dann aus uns allen werden? Die Collins werden uns hier hinauswerfen, bevor er noch unter der Erde ist; und wenn du, lieber Bruder, uns dann nicht aufnimmst, dann weiß ich wahrhaftig nicht, was wir anfangen sollen!«
    Mr. Gardiner versuchte, sie zu beruhigen, und teilte ihr mit, er werde am folgenden Tage ebenfalls in London sein und ihren Mann bei seinen Nachforschungen unterstützen.
    »Gib dich bloß nicht solch nutzlosen Befürchtungen hin«, fügte er hinzu. »Es ist richtig, man soll sich immer auf das Schlimmste gefaßt machen, aber deshalb braucht man es noch lange nicht als schon geschehen zu betrachten. Sie sind erst etwas mehr als eine Woche von Brighton fort. In ein paar Tagen werden wir bestimmt etwas über sie erfahren haben, und bis wir nicht genau wissen, daß sie nicht verheiratet sind oder nicht zu heiraten beabsichtigen, dürfen wir nichts verloren geben. Ich werde in London meinen Schwager mit zu uns nach Hause nehmen, und dann werden wir uns in aller Ruhe überlegen, was am besten zu tun ist.«
    »Ach, mein lieber Bruder«, erwiderte Mrs. Bennet, »gerade darum wollte ich dich bitten. Ja, fahre du nach London und finde sie, wo sie auch stecken mögen; und wenn sie dann noch nicht verheiratet sind, dann zwingst du sie eben dazu. Und bestelle Lydia, sie soll nicht darauf warten, bis ihr Hochzeitskleid fertig ist; wenn sie erst verheiratet ist, soll sie so viel Geld bekommen, wie sie haben will, um sich Kleider zu kaufen. Und vor allem — laß nicht zu, daß Bennet sich duelliert! Erzähle ihm, in welch erbärmlichem Zustand ich mich befinde, daß ich vor Angst halb von Sinnen bin und daß ich ein solches Zittern am ganzen Leibe habe, solche Krämpfe in meiner rechten Seite, solche furchtbaren Kopfschmerzen und solch Herzklopfen, daß ich Tag und Nacht keine Ruhe finden kann. Und sag’ der lieben Lydia, sie solle sich keine Kleider bestellen, bevor sie mit mir gesprochen hat; denn sie kennt die besten Läden nicht so wie ich. Ach, wie gut du zu mir bist! Ich weiß, daß du alles bestens erledigen wirst!«
    Obwohl Mr. Gardiner ihr wieder versicherte, sein Bestes tun zu wollen, hielt er es doch auch für richtig, sie zu ermahnen, ihre Hoffnungen sowohl wie ihre Befürchtungen ein wenig zu mäßigen. Das ging so weiter bis zur Essenszeit. Dann überließen sie Mrs. Bennet und ihr Lamentieren der Haushälterin, die ihr während der Abwesenheit ihrer Töchter Gesellschaft leisten mußte.
    Ihr Bruder und ihre Schwägerin waren zwar überzeugt, daß sie keinen Grund hatte zu Bett zu liegen, aber sie versuchten gar nicht, sie zu überreden, noch aufzustehen und herunterzukommen. Sie hätte es ja doch nicht über sich gewinnen können, ihren Mund vor den Hausmädchen zu halten.
    Im Eßzimmer traf man auch Kitty und Mary, die zu beschäftigt gewesen waren, um eher zu erscheinen. Die eine kam von ihren Studien, die andere von ihrem Kleiderschrank. Beide schienen die Ereignisse der vergangenen Woche mit Gleichmut ertragen zu haben. Nur glaubte Kitty nun erst recht, von ihrer Familie unverstanden zu sein, was sich in einer erhöhten Reizbarkeit äußerte. Mary dagegen hatte ihre Beherrschung so weit gewahrt, daß sie Elisabeth mit ernster

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