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Straße in die Hölle

Straße in die Hölle

Titel: Straße in die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kriegsmäßiger Alarm.
    Die Mittagsschicht wurde abgelöst und kam über den Fluß zurück. Ausgepumpt, hohläugig – Gespenster in zerrissenen, dreckigen Hosen und Hemden. Wie Tiere stürzten sie sich auf die Bänke vor der Küchenbaracke, markierten ihren Sitzplatz mit irgendeinem persönlichen Gegenstand und bildeten dann eine lange Schlange vor der Essenausgabe. Alegre war nicht unter ihnen. Er war nirgendwo mehr gesehen worden. Bandeira schien ihn aus dem Verkehr gezogen zu haben und an einem sicheren Ort zu verwahren.
    Auch Gebbhardt kam mit der Schicht zurück. Er war an der Kolonnenspitze gewesen und hatte dort seine Vermessungen kontrolliert. Die Vorarbeiter meldeten ihm unwichtige Vorfälle, wie etwa, daß zwei Fäller Hauptmann Piraporte einen Arschkriecher der Regierung genannt hatten. Piraporte hatte daraufhin die Beiden verhaftet und kurzerhand an die Tür seines Wagens gefesselt.
    Die Stimmung war danach ausgesprochen mies. Die Männer murrten, aber es fehlte jemand, der den Funken des Zorns kräftig anblies.
    Gebbhardt war zu Piraporte gegangen, um sich den Vorfall erzählen zu lassen. Die beiden Fäller standen, mit Handschellen an den Rahmen des Wagenfensters gefesselt, in der prallen Sonne der Schneise. Ihre Lippen waren bereits aufgedunsen, in den Augenhöhlen saßen die Fliegen wie dicke schwarze Knoten. Sie hatten keine Möglichkeit, sie wegzujagen. Gebbhardt war empört und sagte das auch Piraporte, der, elegant wie immer, auf einem Baumstamm stand und die Kolonnen fotografierte.
    Bilder für den Geheimdienst. Erkennungsfotos. Es konnte später keiner mehr sagen, er habe nicht hier an der Spitze gearbeitet.
    »Sollen den Männern die Köpfe platzen?« fragte Gebbhardt grob.
    »Welchen Männern?« fragte Piraporte erstaunt zurück.
    »Ihrer neuen Autoverzierung.«
    »In einem Arschloch ist es warm«, sagte Piraporte gemütlich und ließ die Kamera sinken. »Haben Sie schon mal ein Fieberthermometer hineingesteckt? Durchschnittlich sechsunddreißig bis siebenunddreißig Grad. Ich nehme an, Sie haben gehört, warum ich sie verhaften mußte. Nun haben die beiden die Temperatur eines Regierungsarsches.«
    »Binden Sie die Männer sofort los!« befahl Gebbhardt. Seine Stimme bebte vor Zorn.
    »Ich denke nicht daran.« Piraporte lächelte schief. »Sie glauben doch wohl nicht, daß ich von Ihnen Befehle entgegennehme?«
    »Dann werde ich von einem Schmied die Handschellen aufkneifen lassen. Wir haben Stahlscheren genug hier.«
    »Das würde ich als einen unfreundlichen Akt ansehen, Senhor Carlos. Aber es steht Ihnen natürlich frei, wieder eine Meldung zu schreiben.«
    »Ich werde keine Meldung mehr schreiben. Ich werde nur noch handeln.«
    »Die Deutschen lernen schnell.« Piraporte hob blitzartig die Kamera und schoß ein Bild von Gebbhardt. »Ihres fehlte noch. Nach Norinas Lehrstunden gehören Sie mit ins Familienalbum.«
    »Lassen Sie Norina aus dem Spiel!«
    »Ich gebe doch keine Trumpfkarte aus der Hand. Senhor Carlos, Sie unterschätzen mich. An dieser Straße wurden systematisch durch Einpeitscher die Arbeiter aufgehetzt. Als die Untergrundarbeit beendet war, erschienen die militanten Köpfe. Der eine in Polizeiuniform, der andere im weißen Kittel des Arztes, der dritte in Gestalt eines schwarzhaarigen Engels. Nein, halten Sie den Mund. Wundern Sie sich nicht, daß ich Ihnen das sage. Die Personen, die ich meine, wissen genau, daß ich sie durchschaut habe. Das ist eigentlich mein Gutschein fürs Weiterleben. Sie haben den Zeitpunkt verpaßt, mich zu liquidieren. Jetzt wäre es nur noch ein simpler Mord, keine nationale Tat mehr.«
    »Ich wundere mich tatsächlich.« Gebbhardt blickte sich um. Das Krachen der fallenden Baumriesen hörte sich wie ein Gewitter an. Die Motorsägen fraßen sich kreischend durchs Holz. »Sie stehen hier und fotografieren und keiner hängt Sie an den nächsten Ast.«
    »Sie haben Angst.« Piraporte grinste breit. »Sie haben keine Waffen. Sie wissen genau, daß Militär hinter ihnen in Bereitschaft liegt. Mit den bloßen Händen gegen Maschinengewehre? Da hört die Lust zur Revolution auf.«
    »Und das will man durchhalten? Wie lange noch?«
    »Bis zum Rio Araguaia – und noch länger.« Piraporte sprang von seinem dicken Baumstamm.
    Er wirkte elegant, ein wenig zu geziert. Fast wie ein Schwuler. Gebbhardt verspürte Übelkeit. Ich könnte vor Abneigung kotzen, dachte er. Aber gleichzeitig begriff er die Tragik dieser Männer, die sich durch den Wald schlugen,

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