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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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von ungeweinten Tränen, und ihre Brust schnürte sich zusammen. Zwischen ihr und dem Mann, der davonritt, bestand ein unsichtbares Band. Angeline ließ die Tränen über ihre Wangen strömen. Sie vermischten sich mit dem Regen.
    Neben ihr ritt Andre vorwärts wie ein Schatten. Die Hufe der Pferde plantschten durch den Straßenschlamm. Angeline war froh über den Schutz der Nacht, den Regen und die Geschwindigkeit ihres Ritts, die ein Gespräch verhinderten. Sie hätte jetzt nichts sagen können. Sie durchlebte im Geiste jede Einzelheit des Lebewohls von Rolf und der Garde, und sosehr sie auch grübelte, sie fand keinen Hinweis darauf, daß es nicht ein Abschied für immer war.

17
    Rauch wirbelte in dünnen Schwaden aus ausgebrannten Trümmern und mischte sich mit dem grauen Licht des Morgens. Frauen, deren Gesichter vom Weinen und der Hitze gerötet waren, durchstöberten die rußgeschwärzte, nasse Ruine in der Hoffnung, noch etwas Brauchbares retten zu können. Kinder kauerten unter versengten Bäumen, und ein Mädchen mit schwarzen Zöpfen und einer großen Zahnlücke schöpfte Wasser vom Ziehbrunnen. Der irdene Krug, den sie dafür verwendete, war offenbar alles, was an Geschirr noch übrig war.
    Angeline und Andre betrachteten vom Pferd aus die Überreste von McCulloughs Lager. Von den Gebäuden und Schuppen stand nichts mehr; alles war ein Raub der Flammen. In der Morgendämmerung war auch von den Haustieren nichts zu sehen, nur ein Zwerghahn scharrte mit durchnäßtem, grünem und rostrotem Gefieder, wo einmal der Stall gewesen war. Andre winkte einen flachsblonden Jungen zu sich heran.
    »Die diebischen Rothäute warn’s«, antwortete der Junge auf Andres Frage. »Sind mitten in der Nacht über uns hergefallen, der Stamm von McCulloughs Mädchen. Haben alles mitgehen lassen, soweit sie’s nicht in Schutt und Asche gelegt haben. Ma sagt, daß wir woanders Unterkommen müssen, bis die Blockhütten wieder aufgebaut sind.«
    Der Junge fing den Penny auf, den Andre ihm zuwarf, umschloß ihn fest und rannte davon. Der Mann an ihrer Seite fragte leise: »Was jetzt, Angeline?«
    Sie raffte sich zu einem Lächeln auf und sah ihm in die dunkelbraunen Augen. »Wenn Sie fragen, was ich zu tun gedenke, ich habe kein Ahnung.«
    »Sie stimmen mir also zu, daß das die Sachlage ändert? Sie können doch nicht im Freien übernachten wie ein wildes Tier.«
    »Bestimmt weiß McCullough eine Unterkunft, vielleicht die, die wir vorhin verlassen haben.«
    »Ja, und dann sollen diese Frauen und Kinder an einen Ort geführt werden, wo die Leute des Spaniers wie faules Obst an den Bäumen hängen? Das heißt, natürlich nur, wenn sie in einem Augenblick der Zerstreuung vergessen haben, den roten Hahn aufs Dach zu setzen.«
    Angeline runzelte die Stirn. Das Bild, das Andre heraufbeschwor, war nur allzu wahrscheinlich. »Was sollen wir denn sonst tun?«
    »Sie könnten doch nach New Orleans zu meiner Mutter mitkommen.«
    Madame Delacroix war inzwischen bestimmt zur winterlichen Saison in die Stadt gefahren. In der letzten Januarwoche verschloß sie gewöhnlich ihr Haus bei St. Martinville und machte sich mit großem Gepäck auf die beschwerliche Reise.
    »Das... das ist ein großzügiges Angebot, aber es ist nicht nötig.«
    »Für wen? Für mich ist es durchaus nötig! Angeline, ich liebe Sie, ich möchte Ihnen helfen. Mir blutet das Herz, wenn ich Sie so sehe, ohne einen Menschen, ohne Heimat und ohne die Möglichkeit, wenigstens die Kleider zu wechseln. Kommen Sie mit, ich bitte Sie!«
    »Ich möchte Ihnen nicht zur Last fallen«, erwiderte sie bekümmert und sah zu, wie sich eine Frau mit Triumphgeschrei auf einen angekohlten Schinken stürzte, worauf auch die anderen stolpernd über die rauchenden Trümmer liefen.
    »Sie werden mir nicht zur Last fallen. Meine Mutter wird sich gerne um Sie kümmern, besonders wenn Sie in Ihnen ihre zukünftige Schwiegertochter sieht.«
    Sie sah ihn an. »Sie wollen mich heiraten? Jetzt noch?«
    »Es ist mein sehnlichster Wunsch.«
    Noch ein Antrag. Wie schwach und hilflos mußte sie wirken, daß sie in allen Männern den Beschützerinstinkt weckte! Innerlich spürte sie durchaus keine Schwäche. Sie fühlte sich stark und voll Leben, trotz ihrer momentanen Müdigkeit. Rolf war der einzige, der ihr nicht den Schutz seines Namens gewähren wollte, der einzige.
    »Bedenken Sie, Angeline, ma chere «, fuhr Andre fort, als sie schwieg, »was wird, wenn Prinz Rolf nicht zu Ihnen zurückkehrt?

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