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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kommode. Auf dem Nachttisch neben dem Bett stand ein Telefon, und sie starrte es an. Telefonierte er vielleicht mit dem Sheriff? Oder doch mit ihrer Mutter?
    Das Telefon zog sie magisch an, ihre Hand berührte den Hörer. Wieder wusste sie, dass es nicht richtig war, doch sie wollte wissen, mit wem er sprach. So behutsam wie möglich hob sie den Hörer an ihr Ohr und bedeckte die Sprechmuschel mit einer Hand.
    »Habt ihr ihn bei euch?«, fragte Swann jemanden.
    »Vorschriftsmäßig verpackt und ordentlich verschnürt«, antwortete eine Männerstimme.
    Swann kicherte nervös.
    Wer ist der andere?, fragte sich Annie. Und worüber reden sie?
    »Alle Mann an Bord?«, fragte Swann.
    »Fast. Ich warte darauf, dass Gonzo zurückkommt.«
    »Hoffentlich lässt er sich nicht zu viel Zeit. Ich weiß nicht, wie lange ich sie unterhalten kann.«
    Annie riss die Augen auf. Er meint uns.
    »Ja, ich weiß. Moment, ich glaube, ich sehe sein Auto.«
    »Gut.«
    »Ja, er ist es. Wir sind startklar.«
    »Dann sollten wir die Sache über die Bühne bringen«, sagte Swann. »Es ist eine üble Geschichte.«
    »Ich weiß. Newkirk ist völlig rappelig. Er sieht aus, als würde er sich gleich vor Angst in die Hose machen.«
    »Ich kann’s ihm nicht verübeln.«
    »Trotzdem, das war eine gute Reaktion, sie mit zu dir nach Hause zu nehmen. Wenn uns jemand mit ihnen gesehen hätte …«

    Annie legte den Hörer behutsam auf. Was nicht ganz einfach war, denn ihre Hand zitterte. Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit des Schlafzimmers gewöhnt, und sie trat vor die Kommode, um die darüber hängenden Fotos zu betrachten. Weitere Schnappschüsse von Mr Swann in Polizeiuniform. Das nächste Foto zeigte ihn beim Angeln auf dem Meer oder einem großen See, ein anderes mit einer Gruppe von Männern, ebenfalls Polizisten. Sie studierte das Bild aufmerksam, und ihr Herzschlag begann zu rasen.
    Mr Swann stand mit vier Männern zusammen, die die Arme um die Schultern ihrer Nachbarn gelegt hatten. Sie grinsten breit, bis auf den Dunkelhäutigen, der finster dreinschaute. Mr Singer, der Fahrer, starrte mit jenen eiskalten blauen Augen, in die sie selbst geblickt hatte, in die Kamera. Der Mann mit der Baseballkappe grinste, und der mit dem welligen Haar, den sie heute Nachmittag getötet hatten, schien sich so vor Lachen zu schütteln, dass sein Gesicht auf dem Foto etwas verwackelt war.
    Als sie den Flur hinabrannte, hörte sie, wie sich der Schlüssel in der Tür des Arbeitszimmers drehte.
    Glücklicherweise stand William schon an der Küchentür. Offenbar war er überrascht, sie rennen zu sehen. Ihm musste etwas an ihrer Miene aufgefallen sein, denn er riss die Augen auf und verzog den Mund wie immer, wenn er kurz davor stand, in Tränen auszubrechen.
    »Wir müssen verschwinden«, zischte sie. »Los!«
    Ohne nach dem Grund zu fragen, riss er die Tür auf, durch die man in die Garage gelangte. Als Annie sie hinter sich zuschlug, hörte sie aus dem Flur die laute Stimme von Mr Swann. »Halt, wohin wollt ihr?«

    In der Garage war es finster, nur durch die Sichtfenster in den drei Toren fiel etwas Licht. Sie wusste nicht, wie sie das Garagentor öffnen musste, doch dann sah sie den schwach leuchtenden Knopf direkt daneben und drückte ihn. Eine trübe Beleuchtung schaltete sich ein, und das mittlere Tor ging langsam auf.
    Sie bückten sich und rannten weiter.
    »Halt!« Mr Swann riss die Tür auf und schaltete die Neonbeleuchtung ein. »Kommt sofort zurück!«
    Es hatte wieder zu regnen begonnen. Annie hielt Williams Hand. Sie rannten an dem Pferch mit den Schweinen vorbei. Das riesige Tier namens King warf sich gegen den Zaun und quiekte, und sie schlugen sich erschrocken in die dunklen Büsche.
    Sie mussten über umgestürzte Baumstämme klettern und sich durch dichtes Buschwerk zwängen. Noch immer verfolgte sie Mr Swanns Geschrei. »Warum rennt ihr weg, ihr werdet euch verirren! Kommt zurück, ich habe mit eurer Mutter gesprochen. Es ist alles in Ordnung, sie holt euch hier ab!«
    »Annie …«, keuchte William.
    »Er lügt«, antwortete sie, ohne stehen zu bleiben. »Die Männer vom Campingplatz sind seine Freunde.«
    William sagte etwas, das sie nicht verstand. Was daran lag, dass er wieder weinte. Sie blieb stehen, um ihn in den Arm zu nehmen.
    »Nein …« Er stieß sie weg.
    Sie packte seine Schulter, zog ihn dicht an sich heran und schaute ihm in die Augen. »Ich hab ihn mit einem der Männer vom Campingplatz telefonieren gehört. Mr Swann

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