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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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nach einiger Zeit in der Großstadt zu integrieren, doch in der umgekehrten Richtung hielt er es für ausgeschlossen. Er hatte sich nie ganz daran gewöhnt, auf die Vielfalt von Restaurants und Geschäften verzichten zu müssen, und vermisste die Anonymität und Geräuschkulisse der Metropole. Hier fiel man sofort auf, und jeder sprach einen ohne Hemmungen an und fragte, wo man herkam.

    Um mit diesem Problem klarzukommen, hatte er sich angewöhnt, eine Maske zu tragen, die ihm bald als genauso selbstverständlich erschien wie die Jeans. Für die Leute war er der nette Mr Swann, ein pensionierter Cop, der sich nach dem einfachen Leben sehnte, Schweine züchtete, Tabak kaute und den unverdorbenen Charakter der Landbevölkerung bewunderte. Nie würden sie erfahren, dass er sie tatsächlich so sah, wie Europäer Amerikaner sehen - als kindische, laute Banausen, zu engstirnig, um das, was sie hatten, zu würdigen, zu naiv, um zu begreifen, wie einfach für sie alles gewesen war. Trotzdem, sie schienen ihn zu akzeptieren, auch wenn er zu spät erfahren hatte, dass die Schweinezucht hier nicht gerade weit verbreitet war. Aber er hatte Gefallen daran gefunden.
    Als er Monica näher kennenlernte, hatte er den Eindruck, dass sie ihn durchschaute und instinktiv wusste, dass er nur eine Rolle spielte. Damals hatte er sich zurückgezogen, bevor sie ihn zur Rede stellen konnte, doch das hieß nicht, dass er sie nicht weiter begehrte. Und jetzt hatte er vor, die Gelegenheit beim Schopf zu fassen. Auch er hatte bestimmte Bedürfnisse.
    »Nein, nein und noch mal nein«, sagte er zu der Journalistin, die ihren Spiegel heruntergenommen hatte, als sie ihn sah. »Es wird kein Interview geben.«
    Sie starrte ihn wütend an. »Was soll das heißen? Ich habe die Frau gefragt, und sie hat zugestimmt. Sie möchte vor laufender Kamera um Hilfe bei der Suche nach ihren Kindern bitten.«
    »Sorry, aber so weit wird’s nicht kommen.«
    Die Journalistin wirkte, als hätte man ihr eine Ohrfeige
verpasst, doch offenbar hatte sie vor, den Kampf aufzunehmen. »Und wer zum Teufel sind Sie?«
    »Oscar Swann.« Er streckte die Hand aus, vergewisserte sich aber mit einem Blick, dass die Kamera noch nicht lief.
    Offenbar wollte die Frau ihm nicht die Hand schütteln. »Der Name sagt mir gar nichts.«
    Er zeigte ihr einen eingeschweißten Ausweis an einem Band, den sie an diesem Morgen fabriziert hatten. »Ich gehöre zur Task Force des Sheriffs und bin autorisiert, bei den Nachforschungen mitzuhelfen. Wenn Sie ein Interview wollen, benötigen Sie die Erlaubnis von Sheriff Carey. In ein paar Stunden wird er eine Pressekonferenz abhalten. Mit Mrs Taylor darf fürs Erste niemand reden.«
    Nach einem Blick auf den Ausweis schaute die Reporterin Swann an, dem bewusst war, dass er aufrichtig besorgt und väterlich wirkte. Vertrauenswürdig. Das war schon immer so gewesen.
    »Sind Sie Polizist? Ich habe Sie hier nie gesehen.«
    »Polizist im Ruhestand«, erwiderte er knapp in jenem offiziell klingenden Tonfall, den Singer früher auf Pressekonferenzen angeschlagen hatte. »Zwanzig Dienstjahre, Los Angeles Police Department.«
    »Das wusste ich nicht. Aber die Frau hat bereits zugesagt, mit uns zu reden.«
    »Sehen Sie ihre Zustimmung als hinfällig an«, sagte Swann. »Ich werde mit ihr reden.«
    »Moment mal …«, rief die Reporterin ihm nach, aber Swann hatte sie bereits stehen gelassen.
    Er pflanzte sich zwischen der Kamera und Monica Taylor auf, die die Szene beobachtet hatte.

    »Was ist hier eigentlich los, Oscar?«, fragte sie.
    Swann sprach absichtlich leise. »Monica, ich muss dich bitten, nicht vor der Kamera zu reden. Das wäre keine gute Idee.« Er erzählte ihr von Careys Task Force und ihrem gemeinsam gefassten Beschluss, alle Interviews über das Büro des Sheriffs abzuwickeln, damit keine nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Informationen nach draußen gelangten.
    »Aber warum?«, fragte sie. Swann nahm sich einen Augenblick Zeit, um ihr Gesicht zu studieren. Sie war bleich, wirkte müde und mitgenommen. Da sie kein Make-up aufgelegt hatte, sah man die dunklen Ringe unter ihren Augen sehr deutlich. Und doch fand er sie schön.
    »Wir wollen keinen Medienrummel«, sagte er. »Schließlich haben wir oft genug erlebt, wie das läuft. Diese Leute leben von Gerüchten und Spekulationen und tun alles, um ihre Sendungen zu füllen. Sie werden dir das Wort im Munde umdrehen. Wichtig ist jetzt Verschwiegenheit, und wenn wir Informationen

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