Sturm der Verfuehrung
Waisenhaus erörtert und widerstrebend akzeptiert, dass sie keine Wachen in den Hügeln der Umgebung postieren durften. Die Gefahr, dass der Schurke sie entdeckte und sich zurückzog, war einfach zu groß.
In dem Gespräch hatte Charlie sich bewusst gemacht, dass der Unbekannte es nicht speziell auf Sarah abgesehen hatte, sondern sie einfach nur ein Opfer von vielen war, doch Charlie war es jetzt zu einem persönlichen Anliegen geworden, den Schurken zu fangen und zu demaskieren.
Im Geist rekapitulierte er noch einmal die Ereignisse des Nachmittags - und die Erkenntnisse, die sie ihm beschert hatten. Er würde nie das kalte Grauen vergessen, das ihn gepackt hatte, als er von Sarahs Verwundung erfuhr - aber auch nicht die unendliche Erleichterung, die ihn durchströmt hatte, als er seine Frau neben ihrer Mutter stehen sah, zwar verletzt, aber sehr lebendig.
Der logische nüchterne, vernünftige Teil seines Selbst sagte ihm, dass die Angst, die Verzweiflung und Einsamkeit, die ihn erwartet hätten, wenn Sarah ihm genommen worden wäre, der Preis war, den er den Rest seines Lebens dafür zahlen müsste, dass er der Liebe Einlass in sein Herz gewährt hatte. Ein anderer Teil, den er gerade erst kennenzulernen begann, führte die Seligkeit der Erleichterung ins Feld, und die Freude und das Wohlgefühl, die es ihm bereitete, sich um sie zu kümmern, sie zu verwöhnen, wie er selbst nie hatte verwöhnt werden wollen. Sarah zu lieben erfüllte ihn mit einer nie gekannten Befriedigung.
Trotz seiner Angst wollte er die Liebe leben, mit jeder Faser seines Seins. Die Angst vor der Angst, vor Verzweiflung und Einsamkeit konnte ihn nicht von seinem Weg abbringen, davon abhalten, nach dem Liebesglück zu streben.
Sarah murmelte im Schlaf und schmiegte sich noch enger an ihn, und instinktiv schloss er sie fester in die Arme. Im nächsten Augenblick erinnerte er sich an ihre Verletzung und lockerte seine Umarmung wieder. Sarah war bei ihm - das war alles, was zählte.
Trotz der Wunde hatte Sarah sich ihm ohne Zögern genähert. Er hatte Bedenken geäußert, gefürchtet, dass heftige Bewegungen ihr Schmerzen bereiten würden, aber sie hatte ihm gezeigt, dass sie das nicht kümmerte, dass es ihr allein darum ging, ihn in sich aufzunehmen und zu lieben.
Und so hatte er sich zurücksinken und von ihr in süßes Vergessen reiten lassen. Was er in ihren Augen sah - und sie mit Sicherheit in den seinen -, hatte die Vereinigung zu etwas Kostbarem gemacht.
Ihn sie irgendwie intensiver als sonst erleben lassen.
Er spürte, dass Sarah sich über seine auf Conningham Manor vor Dritten gezeigte Sorge um sie freute. Es war ihm zwar ein wenig unbehaglich zumute gewesen, als ihm bewusst wurde, wie besitzergreifend und fürsorglich er sich zeigte, doch er hätte sich gar nicht anders verhalten können.
Wie es schien, entwickelten sich die Dinge zwischen ihnen in der richtigen Richtung. Er mochte nicht immer verstehen, womit er sich Sarahs Billigung jeweils verdiente, aber sein Instinkt schien ihn gut zu beraten.
Durch diese Erkenntnis beruhigt, driftete er dem Schlaf entgegen, als aus den Schleiern plötzlich eine Erinnerung auftauchte. An ein Gelöbnis, das er an ihrem Hochzeitstag abgelegt hatte, und das ihm danach entfallen war. Damals hatte er geschworen, alles zu tun, um sie glücklich zu machen.
An diesen Vorsatz wollte er sich halten, und seine erste Tat sollte sein, ihr seine Liebe zu erklären. Mit Worten auszudrücken, was er für sie empfand.
In seiner Bibliothek gab es jede Menge Bücher - in irgendeinem davon würde er die richtige Formulierung finden.
Er hatte begriffen, dass man Liebe nicht nur nehmen durfte, sondern auch geben musste. Sich dazu bekennen.
Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen schlief er ein.
Am Sonntagnachmittag wanderte Malcolm Sinclair die Kais von Watchet entlang. Wachsam musterten seine haselnussbraunen Augen die Männer auf und an seinem Weg. Als er nicht entdeckte, wen er suchte, durchkämmte er systematisch die Straßen der Stadt, schaute in jede Schänke, in jeden Laden.
Schließlich blieb er, vor Gereiztheit vibrierend, kurz vor dem oberen Ende der High Street stehen. Obwohl er fast die ganze Nacht und den ganzen Tag gesucht hatte - er war sogar das Risiko eingegangen, durch die Hügel nördlich der Quilley Farm zu reiten -, war es ihm nicht gelungen, Jennings zu finden.
Die abfallende High Street hinunterschauend, musterte er die Passanten. Dass sie ihn ebenfalls sehen konnten,
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