Sturm der Verfuehrung
mir und meiner Mutter - sie kommt aber nicht jedes Mal mit - noch Mr Skeggs, der Anwalt aus Crowcombe, und Mrs Duncliffe. Die beiden und ich sind der harte Kern des Komitees - wir tagen jede Woche. Mr Handley, der Bürgermeister von Watchet, und Mr Kempset, der Stadtrat von Taunton, nehmen nur einmal am Jahresende an der Versammlung teil, es sei denn, wir bitten sie außer der Reihe dazu.«
»Wie viele Kinder beherbergt das Waisenhaus?«, wollte Charlie wissen.
»Im Moment einunddreißig - vom Säuglingsalter bis hinauf zu ein paar Dreizehnjährigen. Wenn sie vierzehn werden, besorgen wir ihnen eine Anstellung in Watchet oder Taunton. Die meisten kommen aus diesen Städten. Es gibt in Taunton immer mehr Fabriken und dementsprechend mehr Unfälle, und dann verlieren Kinder ihre Väter, und die Mütter verhungern oder werden krank und sterben. Und aus Watchet und von der Küste werden uns die Waisen von Fischern oder Seeleuten gebracht.«
»Dann haben Sie also seit drei Jahren mit dem Waisenhaus zu tun?«
»Nein, schon viel länger. Lady Cricklade war eine von Mamas engsten Freundinnen. Ihr Ehemann starb bereits kurz nach der Hochzeit, und sie hatte keine Kinder. Und so gründeten Mama und sie vor vielen Jahren das Waisenhaus. Lady Cricklade hatte von Anfang an vor, mir Quilley Farm zu vererben, und deshalb sorgten sie und Mama dafür, dass ich über alles Bescheid wusste. Ich bin, solange ich denken kann, fast jeden Montag dort.«
Vor ihnen tauchten die Dächer von Crowcombe auf. Die Straße zur Quilley Farm zweigte unmittelbar vor dem ersten Haus ab, breit genug, dass sie weiter nebeneinander herreiten konnten. Es ging stetig aufwärts, bis sie schließlich das Gesims erreichten, auf dem sich das Waisenhaus befand.
»Wie viel Land gehört dazu?«, erkundigte Charlie sich.
Sie ritten im Schritt auf das schiefergedeckte Gebäude zu. Aus dem roten Sandstein der Gegend erbaut, der im Lauf der Zeit zu einem hellen Rosa verblasst war, blickte der Langbau, mit der Fassade im Osten, über das Tal hinweg auf die Quantock Hills, zeichnete sich durch zwei Geschosse in Stein und ein Dachgeschoss in Fachwerk aus. Zur Rechten und Linken des rechteckigen, großen, gekiesten Vorplatzes erstreckten sich Felder und Wiesen.
»Unser Grund reicht im Süden bis an den Bach«, Sarah zeigte auf eine Baumreihe unten im Tal, die einen Wasserlauf säumte, »aber im Norden nur bis zum Land von Squire Mack zwei Zäune weiter.«
Sie deutete in die Richtung des felsigen Berghangs hinter dem Schieferdach des Sandsteinbaus - eines Teils des Westendes der Brendon Hills. »Die Rückfront hat zwei Eckflügel und einen Mittelflügel. Leider sind es keine massiven Steinbauten. Hinter dem Haus ist gerade Platz für einen Küchengarten und eine schmale Weide, da der Hang zu steil ansteigt, als dass die Tiere dort grasen könnten.«
Der Haupteingang lag in der Mitte der Langseite unter einem Vordach, zu seiner Rechten und Linken gruppierte sich eine Reihe Fenster mit Holzklappläden. Sarah und Charlie saßen ab und banden ihre Pferde an der Stange neben dem Eingang an. Am Rand des Vorplatzes döste angeschirrt eine Stute.
»Mrs Duncliffe ist bereits da.« Sarah nickte Richtung Kutsche.
Im Gehen ihre Handschuhe abstreifend, steuerte sie auf die Tür zu. Charlie ließ den Blick schweifen, zu dem unter ihm liegenden Crowcombe und hinauf zu den Wänden der Quantock Hills. Von hier oben wirkten sie viel näher.
Sarah öffnete die Tür, und Charlie folgte ihr ins Haus. Ins Chaos.
Jedenfalls schien es so. Acht kleine Kinder, Mädchen und Jungen, die in einem mehr oder weniger ordentlichen Gänsemarsch durch die Eingangshalle zogen, vergaßen bei Sarahs Anblick jegliche Ordnung. Strahlend kamen sie angelaufen und umringten sie.
Und alle redeten gleichzeitig.
Charlie, der ebenfalls in dem Kreis gefangen war, brauchte ein paar Sekunden, um seine Ohren auf das schrille Geplapper einzustellen, aber Sarah reagierte prompt. Sie tätschelte zwei Köpfe, fragte einen Jungen, ob er seinen Zahn schon verloren hätte, worauf er stolz grinsend die Lücke präsentierte, und trieb die geschwätzige Schar dann mit wedelnden Armen zurück in die Obhut der dünnen Frau, die hinter den Kindern hergegangen war.
Sie lächelte Sarah an. Als sie Charlie bemerkte, weiteten sich ihre Augen, aber im nächsten Moment drehte sie sich um und scheuchte ihre Schützlinge den Korridor hinunter. »Die anderen warten bereits im Büro«, sagte sie im Vorbeigehen zu Sarah.
»Danke,
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