Sturm über Sylt
kochen.«
Ludwig versicherte, dass er für einen Kaffee sehr dankbar sei, und Aletta nickte. Seit sie mit Ludwig zusammen war, trank sie viel öfter Kaffee als Tee.
»Sie sind Österreicher?«, fragte Insa unvermittelt.
Ludwig nickte. »Ich habe Aletta in Wien kennengelernt, als sie dort an der Staatsoper die Pamina in der Zauberflöte sang. Seitdem wohnen wir in Wien, aber ich begleite Aletta zu allen Konzerten.«
Insa füllte Kaffeebohnen in die Mühle, dann setzte sie sich wieder, klemmte die Kaffeemühle zwischen ihre Knie und begann mit heftigen Drehbewegungen zu mahlen. Das Geräusch war so laut, dass die Schritte, die die Treppe herabkamen, kaum zu hören waren. »Sie haben Zeit, meine Schwester zu begleiten? Haben Sie keine Arbeit?«
Ludwig setzte eine Miene auf, die Bescheidenheit signalisieren sollte. »Ich bin in der glücklichen Lage, von meinen Besitztümern leben zu können.«
Die Tür öffnete sich, Pfarrer Frerich erschien in der Küche. Er trug den feierlichen Gesichtsausdruck, der Anlässen wie diesem vorbehalten war. Der jedoch änderte sich, als er Aletta sah. Sie hielt den Atem an, rechnete mit kühler Begrüßung, mit Vorwürfen, mit Ablehnung, sogar mit dem Verrat des Beichtgeheimnisses und dachte schon daran, in diesem Fall das Maß ihrer Sünden vollzumachen und ihn einfach der Lüge zu bezichtigen ... da rief er: »Aletta! Mein Kind!« Er zog sie von ihrem Stuhl hoch und zerrte sie an seine Brust. Dass sie Mühe hatte, ihren Hut in Sicherheit zu bringen, bemerkte er nicht. Pfarrer Frerich war es nicht gewöhnt, eine Frau zu begrüßen, die so gekleidet war, dass eine Umarmung ihr Äußeres derangierte. »Du warst wundervoll gestern Abend! Mein Gott, war ich stolz auf dich! Wie schade, dass deine Eltern das nicht mehr erleben durften.«
Aletta betrachtete ihn verwirrt. Hatte er vergessen, was sie vor ihrer Flucht gebeichtet hatte? Aber er lächelte sie tatsächlich arglos an. Sein vollwangiges Gesicht war noch immer faltenlos, sein Leibesumfang hatte jedoch erheblich zugenommen. Auch waren seine blonden Haare schütter geworden, sein Schädel war kahl, nur über den Ohren und am Nacken gab es noch ein paarSträhnen, und über der Stirn war dem Pfarrer ein winziges Haarbüschel erhalten geblieben.
Dankbar stellte er fest, dass Insa mit dem Kaffeekochen beschäftigt war. »Schade, dass deine Schwester nicht sehen konnte«, sagte er zu Aletta, »welchen Triumph du gestern gefeiert hast! Aber Insa musste ja Tag und Nacht für die Mutter da sein. Obwohl ich jemanden gefunden hatte, der sie zwei, drei Stunden vertreten wollte ...«
Es trat eine Pause ein, in der Pfarrer Frerich anscheinend darauf wartete, dass Insa sie mit Rechtfertigung füllte. Aber sie drehte ihnen den Rücken zu und machte keine Anstalten, zu erklären, warum ihr die persönliche Betreuung ihrer Mutter wichtiger gewesen war als das Konzert ihrer Schwester.
Also wandte Pfarrer Frerich sich Ludwig zu, den er herzlich begrüßte. »Der Herr Gemahl? Wie schön, Sie kennenzulernen.«
Aletta war geneigt, den Irrtum unaufgeklärt zu lassen, aber Ludwig korrigierte: »Wir sind nicht verheiratet.«
Der Pfarrer war aufs äußerste bestürzt. Schwer atmend ließ er sich auf einem Stuhl nieder, als bliebe ihm vor Erschütterung die Luft weg. »Warum nicht?«
Er sah Aletta an, aber Ludwig war es, der antwortete: »Ich weiß, wie schnell es mit der Liebe vorbei sein kann, sobald sie zur Pflicht geworden ist. Ich war schon mal verheiratet ...«
Pfarrer Frerich brachte nicht das geringste Verständnis für diese Einstellung auf. »Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft. Und Kinder brauchen eine intakte Familie.«
»Wir haben keine Kinder«, gab Ludwig zurück.
Doch der Pfarrer war es gewöhnt, zu missionieren und mit seinen Missionen Erfolg zu haben. »Aber es könnten welche kommen«, rief er. »Wollen Sie die armen Würmer dann als Illegitime aufwachsen lassen?«
Nun wurde Ludwig ärgerlich. »Ich habe nicht die Absicht, Kinder in die Welt zu setzen, Herr Pfarrer. Und nun lassen Sie uns bitte über etwas anderes reden.«
Frerich sah Aletta fragend an, als wollte er herausfinden, ob sie es begrüßen würde, wenn er weiter in ihren Lebensgefährten drang, um ihn zur Ehe zu bewegen, aber sie sah starr vor sich hin und schien an einem Themenwechsel genauso interessiert zu sein wie Ludwig.
Der Pfarrer seufzte tief auf, als Insa mit einer gefüllten Kaffeekanne an den Tisch trat. »Das ist nicht das richtige Thema
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