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Sturm und Drang

Sturm und Drang

Titel: Sturm und Drang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Scott
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der Schrei wird aufgenommen, und kurz darauf rast ein Haufen wild gewordener Städter säbelrasselnd im Nebel herum. Sie brüllen durcheinander, dass die Orks kommen. Ich kann kaum eine Schwertlänge weit sehen, und bei dem Chaos, das im Moment herrscht, rechne ich jeden Moment damit, von einem übereifrigen Söldner über den Haufen gerannt zu werden, bevor ich überhaupt auf einen Feind stoße. Schließlich treffe ich zwischen der Kirche und dem Hafen auf Hauptmann Rallig. Ihm sind seine Gardisten abhanden gekommen, und er schwitzt von der ungewohnten Anstrengung, durch ZwölfSeen zu rennen.
    »Hast du jemanden gesehen?«, bellt er mich an. Ich schüttele den Kopf, und er rennt weiter, während er in seine Pfeife stößt, um seine Leute zu sammeln. In diesem Durcheinander nützt ihm das nicht viel. Überall ist die Luft erfüllt vom Lärm von Glockengeläute, Pfeifen, Gebrüll und Gekreische. Da ich an der Kirche keine Orks getroffen habe, mache ich mich auf den Weg zum Hafen. Ich bin bereit, jeden Eindringling zurückzuschlagen. Aber ich komme nur langsam voran. Ich höre auf zu laufen und ertaste mir vorsichtig den Weg. Ich kenne jeden Zentimeter dieser Straßen, aber die Fackeln können den Nebel nicht vertreiben, deshalb sehe ich kaum meine Hand vor den Augen. Ich stolpere über Bettler und Boah-Süchtige, die vor den Gassenmündungen liegen und von der ganzen Aufregung unberührt sind. Gelegentlich drängen mich Soldaten, Gardisten, Söldner und nicht zuletzt brave Bürger von ZwölfSeen zur Seite, die mit allem, was man als Waffe benutzen kann, unterwegs zum Hafen sind. Ich biege mit gezücktem Schwert in der Hand um eine Ecke und hätte beinahe eine Trauergesellschaft enthauptet. Es sind zwei Männer in schwarzen Umhängen mit Kapuzen und eine verschleierte Frau. Sie gehen langsam nach Hause, die Köpfe feierlich gesenkt. Ich werfe einen argwöhnischen Blick auf ihre verborgenen Gesichter. Es steht zwar nicht zu erwarten, dass sich Orks als Trauergesellschaft verkleiden, wenn sie in unsere Stadt eindringen, aber wer weiß schon, zu welchen Schlichen die Orks heutzutage fähig sind. Dies hier sind jedoch Menschen, keine Orks. Ich kann die Gegenwart von Orks wittern. Diese nützliche Gabe ist mir noch aus meinen Zeiten als Zauberlehrling geblieben. Zufällig sehe ich das Gesicht von einer Person, als ich ihr auf die Zehen trete. Der Mann schlägt die Kapuze zurück und sieht mich wütend an.
    »Passt gefälligst auf, wo Ihr hintretet!«, knurrt er.
    »Eine Invasion der Orks!«, erwidere ich als Erklärung und verschwinde im Nebel.
    Als ich fast am Hafen bin, laufe ich in Makri hinein. Sie hält ihr schwarzes Ork-Schwert in der einen und eine mittelgroße Streitaxt in der anderen Hand. Ihr Elfenschwert trägt sie auf dem Rücken.
    »Hast du die Orks gesehen?«, fährt sie mich an.
    »Nein, du?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Keine Spur. Aber dafür sind mir die meisten anderen Bewohner von ZwölfSeen über den Weg gelaufen.«
    »Mir auch.«
    Wir bleiben einen Moment schweigend stehen, während das Chaos um uns herum weiter tobt.
    »Wir sind ganz schön weit gekommen«, erklärt Makri, »ohne auf einen einzigen Ork zu treffen.«
    Das scheint sie zu enttäuschen.
    »Meinst du, es könnte falscher Alarm gewesen sein?«
    Ich nicke. »Es kommt mir allmählich so vor.«
    Die große Glocke am Hafen hat aufgehört zu läuten, obwohl in der Ferne noch verwirrte Rufe zu hören sind. Makri fröstelt. Sie ist nur mit ihrem Kettenzweiteiler bekleidet aus der Rächenden Axt gestürmt, und nachdem die Aufregung jetzt ein wenig abgeklungen ist, merkt sie, dass dieser Kettendress nicht unbedingt die angemessene Kleidung für einen Spaziergang im Eisnebel ist.
    »Ich brauche ein Bier. Ich gehe zur Rächenden Axt zurück.«
    Makri zögert. Sie kämpft gern, und es entzückt sie geradezu, wenn sie Orks umbringen kann. Und jetzt ist sie enttäuscht, weil sie keine Gelegenheit dazu hatte.
    »Vielleicht verstecken sie sich ja irgendwo.«
    Mittlerweile verlassen auch andere Leute die Arena. Sie tauchen in Zweier-und Dreiergruppen aus dem Nebel auf und meckern verärgert, weil man sie aus ihren warmen Heimen gerissen hat, um einen Feind zu bekämpfen, der gar nicht da ist.
    »Das bezweifle ich. Orks können sich nicht gut verstecken. Wir hätten sie längst gefunden. Es war ein falscher Alarm.«
    Wir gehen weiter durch den Nebel. Ich bleibe stehen, gehe weiter und bleibe wieder stehen.
    »Was hast du?«, fragt Makri.
    »Nichts«,

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