Sturmjahre
Minuten, Muttermund sechs Zentimeter.«
»Hat sie Schmerzen?«
{401} »Sie sagt, nein.«
Samantha konnte jetzt nachfühlen, was die Väter durchmachten, wenn sie im kleinen Wartezimmer im Krankenhaus saßen. Kein Wunder, daß trotz strikten Verbots immer wieder Alkohol eingeschmuggelt wurde.
Miss Peoples erschien mit einem Krug frischer Limonade und einer Schale Mandelbiskuits. Während Darius die Gläser auffüllte, nahm Hilary ein Kartenspiel zur Hand und forderte Willella zu einer Partie Rommé auf. Samantha gesellte sich wieder zu Mark.
Nach einer Weile sah Willella von ihren Karten auf und sagte: »Hör sich einer dieses Gemaunze an! Da muß ja eine äußerst attraktive Katzendame in der Nachbarschaft sein.«
»Das ist keine Katze«, rief Mark. »Das ist –«
»O Gott!« Samantha stürzte zur Tür und rannte von Willella gefolgt die Treppe hinauf. Oben klopfte sie nicht, sondern stürmte sofort ins Zimmer.
Adam sah kurz auf, lächelte und beugte sich wieder über das kleine Körperchen, das er gerade mit einem weichen Tuch trocknete.
»Jennifer!« rief Samantha und eilte zum Bett. Zuerst untersuchte sie das Kind – alles in Ordnung. Dann schimpfte sie halb lachend, halb weinend mit fliegenden Händen ihre Tochter und ihren Schwiegersohn aus.
Adam legte den Säugling nur solange nieder, um zu signalisieren: »Wir brauchten dich nicht zu rufen, Mutter.« Dann nahm er das Kind wieder auf und legte es der wartenden Jenny in die Arme.
12
Die ›Caveat‹-Ausgabe gelangte im September in die Verkaufsstände und war binnen drei Tagen vergriffen. In der Redaktion von
Woman’s Companion
liefen die Telefondrähte heiß, und die Leserzuschriften kamen körbeweise. Am Ende der Woche trafen Telegramme aus sämtlichen Teilen des Landes ein – andere Journale wollten diesen Artikel auch haben –, und ein paar Tage später war der Goldrausch von Alaska bei allen Zeitungen oder Zeitschriften von der Titelseite verschwunden. Während die einen empört die sofortige Schließung der Redaktionsräume von
Woman’s Companion
forderten, lobten andere, darunter die
Saturday Evening Post
die Zivilcourage der Frauenzeitschrift. Die Broschüren, die Samantha im Krankenhaus ausgelegt hatte, fanden jetzt reißenden Absatz. Der Skandal schlug hohe Wellen; überall auf den Straßen San Franciscos begegnete man Leuten mit
Woman’s Companion
unter dem Arm; in die {402} Apotheken und Drugstores kamen die Kunden scharenweise mit unbequemen Fragen und verlangten ihr Geld zurück. Und innerhalb eines Monats fiel der Absatz von Sara Fenwicks Wundermixtur rapide.
»Aber das bedeutet noch lange nicht, daß die Leute nun keine solchen Mittel mehr kaufen werden«, erklärte Horace. »Es ist im Augenblick lediglich verpönt, Sara Fenwicks Wundermixtur im Haus zu haben. Aber wie ich aus guter Quelle hörte, sind die Verkaufszahlen anderer Arzneimittelhersteller gestiegen. Jetzt«, sagte er zu Samantha und Mark, »müssen wir das Feuer schüren. Wir müssen die Öffentlichkeit so richtig in Rage bringen. Und dann müssen wir diese Energie in Kanäle leiten, die zu einer Gesetzesänderung führen.« Er wies mit großer Geste auf die Briefe und Telegramme auf seinem Schreibtisch. »Das hier mag zwar beeindruckend sein, aber aus Washington kommt noch immer nichts als Schweigen. Ich sage deshalb, wir müssen das Eisen schmieden, solange es heiß ist.«
Als nächstes forderten sie fünf weitere große Arzneimittelhersteller heraus und setzten sich dann an die Januarausgabe, ›um das Jahr 1898 mit einem Paukenschlag einzuläuten‹.
An einem regnerischen Nachmittag im November kam Mark zu Samantha ins Büro. Er hatte soeben von Lilians Anwalt den Bescheid erhalten, daß die Scheidung rechtskräftig war. Gleichzeitig war ein Brief von Lilian gekommen.
Samantha stellte sich ins Licht am Fenster, um ihn zu lesen.
›Mein lieber Mark‹, schrieb Lilian, ›ich hoffe, es geht Dir gut. Ich kann Dir nicht sagen, wie glücklich ich hier bin. Dierdre ist überzeugt, daß es diesmal Zwillinge werden. Dann werde ich wirklich beide Hände voll zu tun haben. Ich fühle mich so wohl jetzt, Mark, im Kreis der Familie. Mein Leben hat plötzlich wieder Inhalt und Erfüllung gewonnen. In Isabels Haus ist immer etwas los, und ich komme kaum zum Nachdenken. Alle sagen, daß ich die Kinder verwöhne; in Wirklichkeit verwöhne ich mich selbst. Manchmal frage ich mich, wodurch ich soviel Freude und Glück verdient habe.
Wir haben hier alle Euren
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