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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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das würde die Menschen davon überzeugen, dass die Macht endgültig und unumkehrbar an die Revolutionäre übergegangen war.
    Grigori wusste, dass Lenin recht hatte.
    Und alle anderen wussten es auch.
    Trotzki machte sich sofort daran, die Übernahme des Winterpalasts zu planen.
    In dieser Nacht ging Grigori nicht zu Katherina nach Hause.

    Sie durften keine Fehler machen.
    Der letzte Akt der Revolution würde alles entscheiden; das wusste Grigori. Er sorgte dafür, dass die Befehle eindeutig waren und ihre Ziele rechtzeitig erreichten.
    Der Plan war nicht allzu kompliziert, doch Grigori machte sich Sorgen, dass Trotzkis Zeitplan allzu optimistisch war. Die Hauptstreitmacht würde aus revolutionären Matrosen bestehen. Der Großteil kam aus Helsingfors, der Hauptstadt des Großfürstentums Finnland. Sie brachen um drei Uhr morgens auf. Weitere Soldaten kamen aus Kronstadt, der Seefestung zwanzig Meilen vor der Küste.
    Der Angriff sollte Punkt Mittag beginnen.
    Wie auf dem Schlachtfeld würde die Attacke mit Artilleriefeuer beginnen: Die Geschütze der Peter-und-Paul-Festung würden über den Fluss feuern und die Mauern des Palastes einreißen. Dann sollten die Seeleute und Soldaten das Gebäude übernehmen. Trotzki erklärte, um zwei Uhr, wenn der Sowjetkongress zusammenkäme, sei alles vorbei.
    Lenin wollte bei der Eröffnung verkünden, dass die Bolschewiken die Macht bereits übernommen hatten. Es war die einzige Möglichkeit, zu verhindern, dass wieder eine unentschlossene, inkompetente Kompromissregierung eingesetzt wurde. Vor allem ließ sich nur auf diese Weise sicherstellen, dass Lenin das Sagen hatte.
    Grigori sorgte sich nur, dass es nicht so schnell ging, wie Trotzki hoffte.
    Die Sicherheitsmaßnahmen im Winterpalast waren erbärmlich, sodass Grigori bei Sonnenaufgang Isaak zur Erkundung hineinschicken konnte. Isaak berichtete, dass sich ungefähr dreihundert Regierungssoldaten im Gebäude aufhielten. Sollten diese Männer gut organisiert sein und tapfer kämpfen, würde es zu einer gewaltigen Schlacht kommen.
    Isaak fand außerdem heraus, dass Kerenski die Stadt verlassen hatte. Weil die Roten Garden die Bahnhöfe kontrollierten, hatte er jedoch nicht mit dem Zug fahren können; stattdessen hatte er einen Kraftwagen requiriert. »Was ist das für ein Ministerpräsident, der in seiner eigenen Hauptstadt nicht einmal einen Zug bekommen kann?«, spottete Isaak.
    »Stimmt«, sagte Grigori sichtlich zufrieden. »Aber er ist weg und wird wohl nicht wiederkommen.«
    Doch als es Mittag wurde und weit und breit kein Matrose zu sehen war, meldete Grigoris Pessimismus sich zurück.
    Grigori überquerte die Brücke zur Peter-und-Paul-Festung, um sicherzustellen, dass die Geschütze feuerbereit waren. Zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass es sich bei den Kanonen der Festung um Museumsstücke handelte, die ausschließlich der Schau dienten und gar nicht abgefeuert werden konnten. Grigori befahl Isaak, sich um einsatzbereite Artillerie zu kümmern. Dann eilte er zum Smolny-Institut zurück, um Trotzki zu informieren, dass sie bereits deutlich hinter dem Zeitplan lagen. Der Rotgardist an der Tür sagte: »Jemand hat dich gesucht, Genosse. Irgendetwas von wegen einer Hebamme …«
    »Darum kann ich mich jetzt nicht kümmern«, erwiderte Grigori.
    Die Ereignisse überschlugen sich. Grigori erfuhr, dass die Rotgardisten den Mariinsky-Palast eingenommen und das Vorparlament ohne Blutvergießen aufgelöst hatten. Die inhaftierten Bolschewiken wurden befreit. Trotzki hatte allen Truppen außerhalb Petrograds befohlen zu bleiben, wo sie waren, und die Soldaten gehorchten ihm und nicht ihren Offizieren. Lenin wiederum verfasste ein Manifest, das mit den Worten begann: »An die Bürger Russlands: Die Provisorische Regierung ist gestürzt!«
    »Aber der Angriff hat doch noch gar nicht begonnen«, sagte Grigori zu Trotzki. »Und ich weiß auch nicht, wie wir es bis drei Uhr schaffen sollen.«
    »Mach dir keine Sorgen«, erwiderte Trotzki. »Wir können die Eröffnung des Kongresses hinauszögern.«
    Grigori kehrte auf den Schlossplatz vor dem Winterpalast zurück. Um zwei Uhr nachmittags sah er endlich den Minenleger Amur die Newa hinauffahren. Tausend Matrosen aus Kronstadt standen an Deck, und die Arbeiter Petrograds jubelten ihnen vom Ufer aus zu.
    Hätte Kerenski daran gedacht, Minen in dem schmalen Kanal verlegen zu lassen, hätte er die Matrosen aus der Stadt halten und die Revolution besiegen können, wurde Grigori mit

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