Südbalkon
werden lachen, gnädiges Fräulein, aber beim Tatort kann man sich in punkto Spurensicherung einiges abschauen.«
»Ich lache nicht«, sage ich. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen.«
»Ihnen verzeihe ich alles«, raunt Herr Eberwein. Er stützt sich mit der Hand am Türrahmen ab und nähert sein Gesicht dem meinen. Sein Atem riecht nach scharfem Mundwasser.
»Sie sind eine kämpferische Frau, das gefällt mir. Ich würde Sie lieber auf ein Schnäpschen einladen, als über Kippen zu disputieren.«
Ich stehe da, den NUBA-Stiel in der Hand wie eine Putz-Amazone auf Kriegspfad, und fühle, wie etwas in mir zu kochen beginnt. Hugo glotzt mich aus blöden Augen an.
»Nur damit Sie es wissen: Raoul hat den Rotavirus«, sage ich, einer plötzlichen Eingebung folgend. »Ihre Frau habe ich schon gewarnt. Besser die Tasten des Aufzugs desinfizieren. Im Drogeriemarkt gibt es kleine Sprays, die kosten einen Dreck.«
Eberwein weicht erschrocken zurück.
»Komm, wir gehen, Hugo«, sagt er. »Diese Frau hat Bazillen.«
»Ist nicht schlimm«, rufe ich ihm nach, »zwei Infusionen, und Ihr Elektrolythaushalt ist wieder im Lot!«
Eine Tür fällt ins Schloss. Rumms, Kette vor.
Nach der Konfrontation mit Eberwein ist mein Putzeifer vernichtet. Ich schleiche zurück in den Wohnschlafraum. Die Wohnung kommt mir heute noch kleiner und beengter vor als sonst. Wie ein Etui, das für die Aufbewahrung von Menschen nicht geeignet ist.
Wenn ich es mir genau überlege, schließe ich nicht aus, dass Raoul seine Kippen tatsächlich auf den Eberwein-Balkon hinüberwirft. Auf diesen Balkon, der so anders aussieht als der unsrige. Als sei er von einer Landvilla abmontiert und an das Bruno-Kreisky-Hochhaus geschraubt worden. Zunächst haben sie Holzboden verlegt, anschließend alle Betonflächenfroschgrün angestrichen, um schließlich die gesamte freie Fläche mit Blumentöpfen und griechischen Souvenirs zu verstellen. Groteske Götternachbildungen, kniehohe Vasen mit Blumenmuster. Da lobe ich mir unseren Balkon, der an Kargheit nicht zu übertreffen ist. Ehrlicher Beton, unbehübscht, grau und ewig. Ein Statement der Bescheidenheit.
Zu allem Überfluss haben die Eberweins eine gelbe Plane auf jene Seite spannen lassen, die an unsere grenzt. Ich dachte, die sei dafür da, damit wir nicht zu ihnen hinübersehen. Doch Raoul sagt, sie haben die Plane gespannt, damit sie nicht irrtümlich zu uns herübersehen. Wenn er sich unbeobachtet fühlt, zieht Herr Eberwein allerdings die Plane beiseite und beobachtet uns, ich habe ihn schon dabei ertappt. Überhaupt scheint es, als lauere er mir regelmäßig hinter seiner Plane auf.
»Sie!«, ruft er dann und schiebt seine von der Sonne gegerbte Rentner-Visage vor die Plane. »Gut, dass ich Sie erwische. Das Gangfenster war wieder geöffnet. Ge-öff-net!«
»Und?«
»Ich habe Sie doch gebeten, das Fenster nicht zu öffnen.«
»Ich habe das Fenster nicht geöffnet. Ich habe das Gangfenster noch nie geöffnet.«
»Der Luftzug ist Gift für meine Lungen«, sagt er und hustet künstlich.
Ich frage mich, ob wir die Wohnung genommen hätten, wenn uns der Makler auf den Idiotie-Durchdringungsgrad in der Nachbarschaft aufmerksam gemacht hätte. Vielleicht können wir um eine nachträgliche Reduktion der Miete ansuchen.
Wie immer, wenn das Putzen seine vitalisierende Kraft verloren hat, schalte ich den Fernseher ein. Dieses Ritual hat noch nie versagt. Ich lande in einer Talkshow. Eine blonde Moderatorin,die unverschämt gesund aussieht, weidet sich am Streit zweier ihrer Gäste. Wann sie, Janine, denn gemerkt habe, dass er, Rudi, sie mit ihrer besten Freundin betrogen hätte. Sie habe die beiden doch erwischt, sagt Janine, in flokati . Jedenfalls sei sie nach Hause gekommen, und Rudi hätte mit Chiara im Kinderbett gelegen. Im Kinderbett! Einer auf dem anderen. Ihr Freund auf ihrer besten Freundin. Also, da war sie dann ja schon nicht mehr die beste Freundin. Gelächter im Publikum. Das Kind sei zum Glück im Kindergarten gewesen, doch das betrogene Vertrauen, das liegt jetzt ja für immer in dem Bett von dem Kind. Und der Gedanke an das Bett mache sie fertig, mindestens genauso wie der Betrug an sich, sagt Janine.
Der vorgeladene Rudi muss sich ins Wahrheitstor stellen, eine Art moderner Pranger. Dort wird er von der Moderatorin ordentlich ins Gebet genommen. Ob er Janine betrogen hätte, ja oder nein.
Ja, klar, sagt Rudi. Keinerlei Anzeichen von Reue. Im Gegenteil. Die Schlampe brauche sich nicht
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