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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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zu fragen, denn er hatte eine Entscheidung gefällt. Sie hatte ihn die halbe Nacht wach gehalten und Erinnerungen zum Leben erweckt, die er eigentlich für immer begraben geglaubt hatte.
    Mit leiser Stimme – nur für den Fall, dass die neugierigen alten Damen bereits draußen warteten, bis sie mit dem Beichten an der Reihe waren – berichtete Janusz alles, was er auf seiner Reise nach Polen in Erfahrung gebracht hatte: Adamskis mögliche Beteiligung an Struks geheimnisvollem Tod, der kommunistische Schrein, den der alte Mann sich im Keller eingerichtet hatte, und der seltsame Inhalt der SB -Dokumente. Der Priester lauschte schweigend und sagte erst etwas, als Janusz ihm die Begegnung mit dem zum Glück bewaffneten Bauern in Kosyk schilderte.
    »Gott behütet die Narren und die Kinder«, meinte der alte Mann und faltete die Hände auf dem Schoß.
    Janusz ging nicht auf die angedeutete Beleidigung ein. »Seit ich gestern zurückgekommen bin, grüble ich darüber nach«, fuhr er fort. »Und ich glaube, ich habe die Lösung gefunden.«
    Immer wieder hatte er die Dokumente durchgearbeitet und bis spät in der Nacht jeden Schritt der Ermittlungen nachvollzogen, um eine Verbindung zwischen dem Erpresser Adamski und dem alten esbek Struk zu entdecken.
    »Kurz nach Adamskis Besuch bei Struk wurde der alte Mann tot aufgefunden«, erklärte Janusz. »Am nächsten Tag fliegt Adamski nach London, und einige Tage später taucht er in Weronikas Café auf und startet seine schmutzige kleine Erpressung.« Der Priester wartete mit zur Seite geneigtem Kopf ab.
    »Inzwischen ist mir klar, dass ich nicht gesehen habe, was genau vor meiner Nase lag, seit ich die Dokumente kenne.« Janusz beugte sich näher zum Gitter vor.
    »Die Verbindung zwischen Adamski und Struk ist Edward Zamorski.«
    Er gab dem Priester Zeit, diese Theorie zu verdauen.
    »Du glaubst, dass die SB von Zamorskis … Liaison mit einem minderjährigen Mädchen wusste«, ergriff der alte Mann nach einer Weile das Wort. »Und auch, dass diese zu Weronikas Geburt geführt hat.« Janusz nickte zustimmend. Schließlich war allgemein bekannt, dass das Regime alle Schlüsselfiguren bei Solidarność bespitzelt hatte. »Stammt die Geburtsurkunde, mit der Adamski Zamorski erpresst, aus Struks Akten?« Der Priester zog die Augenbrauen hoch.
    »Ich glaube, die Geburtsurkunde ist sein geringstes Problem«, brummte Janusz.
    Er entfernte die Zellophanhülle von einer neuen Zigarrendose, erinnerte sich im nächsten Moment daran, wo er sich befand, und steckte die Zigarren widerstrebend weg. »Falls die SB in den Achtzigern Beweise dafür hatte, dass ein bekannter Oppositioneller wie Zamorski ein Kind mit einem fünfzehnjährigen Mädchen gezeugt hatte – warum, um alles in der Welt, haben sie diese Information dann nicht verbreitet, um Solidarność in ein schlechtes Licht zu rücken?«
    Der Priester zupfte an seinem Ohrläppchen. »Ob sie ihr Wissen vielleicht anderweitig nutzen wollten?«
    »Genau«, erwiderte Janusz. »Wenn ich die SB wäre, wüsste ich schon, was ich täte. Nämlich es als Druckmittel einsetzen.«
    Der Priester drehte sich zu ihm um, und selbst durch das Gitter konnte Janusz erkennen, dass der alte Mann plötzlich erbleicht war.
    Vergeblich zermarterte Janusz sich das Hirn nach einem Weg, es ihm schonend beizubringen. »Ich habe hin und her überlegt, Pater, und komme immer wieder zu demselben Schluss. Der Informant, der bei der SB Elster hieß, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Edward Zamorski.«
    »Nein, nein.« Pater Pietruzki schüttelte heftig den Kopf. »Zamorski war ein Held!«, protestierte er. »Die SB hat ihn eingesperrt und zusammengeschlagen – und zwar nicht nur einmal . Er kann unmöglich ein Verräter gewesen sein!«
    »Wirklich?«, gab Janusz zurück. »Als die SB -Akten geöffnet wurden, hat sich doch herausgestellt, dass alle möglichen Leute Informationen weitergegeben haben – sogar Priester.«
    »Und was ist mit den Priestern, die jede Woche von der Kanzel aus dem Regime die Stirn geboten haben? Was ist mit Marek Kuba, der sogar ermordet wurde, weil er nicht schweigen wollte?«, fragte der alte Mann mit aufgebracht zitternder Stimme. »Ohne sie und die unermüdlichen Bemühungen des Heiligen Vaters hätten wir die Kommunisten nie besiegt!«
    »Stimmt«, antwortete Janusz achselzuckend. »Doch es waren schreckliche Zeiten, in denen selbst gute Menschen schlimme Dinge taten.« Er fuhr sich mit dem Handballen über die

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