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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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abzuräumen.
    Als er ihr vor zwei Jahren mitgeteilt hatte, der Krebs sei unheilbar, hatte er mit einem heiseren Flüstern, das ihr fast das Herz brach, hinzugefügt, es gebe da etwas, das er bereue: Ich hätte nach dem Tod deiner Mum wieder heiraten sollen, damit dir jemand beibringt, eine Dame zu sein .
    Mit einem sehr undamenhaften Schniefen sah Kershaw auf die Uhr und schalt sich wegen ihrer Sentimentalität. Dann kippte sie den Rest ihres lauwarmen Tees hinunter, verzog das Gesicht und griff nach ihrer Tasche.
    Während sie die Wohnungstür hinter sich schloss, hatte sie die Stimme ihres Vaters im Ohr.
    Los, zeig es ihnen, Kleine , sagte sie, los, zeig es ihnen.
    Das Einparken auf dem winzigen Parkplatz, der zum Revier in Newham gehörte, erforderte wie immer einiges Rangieren. Dass Brownings Auto bereits dort stand, verbesserte Kershaws Laune nicht. Der kleine Stinker kam immer zu früh zur Schicht.
    In ihrem Posteingang fand sie eine Mail von Waterhouse. Der Autopsiebericht lag bereits vor. Und was noch besser war: Offenbar hatte das Labor diese Woche nicht viel zu tun, denn die toxikologische Analyse von DB 16 war ebenfalls fertig. Sie bestätigte, dass eine Überdosis PMA die Todesursache gewesen war – das unheimliche Rauschgift, das Waterhouse erwähnt hatte. Yesss! Sie druckte den Bericht aus und machte sich, getragen von einer Welle aus Adrenalin, auf den Weg zu Bacons Schreibtisch.
    Später sollte sich Kershaw sagen, dass es besser gewesen wäre zu warten, bis Specki den ersten halben Liter starken Tee intus hatte, bevor sie ihm den Bericht unter die Nase hielt.
    Er blickte nicht einmal von den Rennergebnissen auf. »Sergeant …«, versuchte sie es und blieb neben ihm stehen. »Entschuldigen Sie die …«
    »Hauen Sie ab, ich bin beschäftigt«, erwiderte er, ohne sie anzusehen.
    »Der Autopsiebericht der Wasserleiche …«
    Er ließ die Zeitung sinken und starrte sie aus blutunterlaufenen Augen an.
    »Welchen Teil des doch recht einfachen Satzes ›Hauen Sie ab‹ haben Sie nicht verstanden? Verschwinden Sie und wachsen Sie sich meinetwegen die Bikinizone.«
    Mit diesen Worten drehte er den Stuhl herum, kehrte ihr den Rücken zu und kreiste ein Pferd ein, das um halb drei in Newmarket starten sollte. Mit hochrotem Gesicht warf Kershaw den Bericht in seine Aktenablage und kehrte zu ihrem Schreibtisch am Fenster zurück. Browning, der seinen Schreibtisch gegenüber hatte, musterte sie mit heuchlerischem Mitgefühl.
    »Verkatert«, zischte er und beugte sich über den Schreibtisch. »Es ging gestern Abend ziemlich hoch her.«
    »Ach, ja?«, antwortete Kershaw und fragte ihre weiteren Mails ab.
    »Du hättest mitkommen sollen«, fuhr er fort. »Wir hatten viel Spaß im Obsessions. Du weißt schon, der Lapdance-Schuppen.«
    Im nächsten Moment fing er an, seine Tastatur zu bearbeiten. Als Kershaw sich umblickte, sah sie, dass Detective Inspector Bellwether hinter ihnen stand und mit dem Sergeant ins Gespräch vertieft war.
    Bellwether, ein hochgewachsener, durchtrainierter Mann Anfang dreißig, lächelte zwar kumpelhaft, doch seine Körpersprache ließ klar erkennen, wer hier der Boss war. Bacon hatte sein Sakko angezogen und trug, wie immer in Gegenwart von Vorgesetzten, ein starres Lächeln zur Schau. Kershaw merkte ihm an, dass er den Chef nicht ausstehen konnte. Nicht etwa, weil der Mann ihm jemals etwas getan hätte, sondern vermutlich, da Bellwether im Rahmen des inzwischen abgeschafften verkürzten Beförderungswegs als Universitätsabsolvent zur Polizei gekommen und in nur fünf Jahren zum DI aufgestiegen war. Also in etwa der Hälfte der Zeit, die er früher gebraucht hätte, um sich hochzuarbeiten. Man musste in Bacons Gegenwart nur das Wort »verkürzter Beförderungsweg« – oder, wie er es nannte, »verfurzter Beförderungsweg« – aussprechen, um ihm die Zornesröte ins Gesicht zu treiben.
    Kershaw fand seine feindselige Haltung gegenüber Bellwether ziemlich albern, insbesondere deshalb, weil Bacon selbst zu verkünden pflegte, er sei gerne DS und habe nicht das geringste Interesse an einer Beförderung. Wie er nicht müde wurde zu betonen, müsse man sich als Inspector von bezahlten Überstunden verabschieden, mehr Zeit mit »Verwaltungsscheiß« als mit richtiger Polizeiarbeit verbringen, Büroklammern zählen und den Obermuftis in der Chefetage in den Hintern kriechen. In anderen Worten, ein absolutes Verlustgeschäft.
    Kershaw hörte, dass die beiden die jüngste Neuregelung des

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