Suendiger Hauch
wie genau Sie dorthin kamen.«
Sie knetete ihre Hände, die sie unwillkürlich vor der Brust hochhielt. »Was ... was meinen Sie damit?«
»Ich meine, dass Sie einfach den Teil der Geschichte unterschlagen haben, in dem Sie einen Anschlag auf das Leben Ihrer Cousine verübt haben, Lord Dunstans Tochter, die Sie zu vergiften versuchten. Das meine ich damit. Und Sie vergaßen offenbar auch zu erwähnen, dass Ihr Onkel Sie dabei ertappt hat, wie sie eine Leiche aufschneiden wollten.«
Ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet. Sie hatte ihre Hand an die Kehle gelegt, und ihr Mund öffnete und schloss sich, doch sie brachte kein Wort hervor.
»Was ist los, Lady Kathryn? Hat Ihre Zunge Ihnen ihren Dienst versagt? Oder denken Sie ganz einfach darüber nach, welche Lüge Sie mir als Nächstes auftischen können? Sollte dies der Fall sein, können Sie versichert sein, dass es viel zu spät dafür ist. Ein befreundeter Arzt hat mir sicherheitshalber Ihre Krankenunterlagen beschafft. Sie liegen dort drüben auf meinem Schreibtisch. Diese Dinge sind tatsächlich passiert -habe ich Recht, Lady Kathryn? Und deshalb sind Sie ins St. Bart’s eingewiesen worden.«
Ein leises Geräusch entfuhr ihrer Kehle, ein klagender, schmerzerfüllter Laut, der seine Brust plötzlich zuzuschnüren schien. Doch in dieser Unterhaltung war kein Platz für Mitgefühl, deshalb schob er diese Empfindung barsch beiseite. Verdammt, er hatte so großes Vertrauen zu ihr gehabt. Er war wütend und fühlte sich von dieser Frau schändlich betrogen. Diese Frau, die er immer mehr bewundert hatte, hatte ihn erneut belogen oder - was noch schlimmer war - sie war tatsächlich verrückt.
Kathryn hob ihren Kopf und sah zu ihm auf. »Es ist mir egal, was in diesen Unterlagen steht, so war es ganz einfach nicht. Was auch immer darin steht, es stimmt nicht!«, sagte sie schließlich.
»Wollen Sie mir erzählen, Sie hätten nicht versucht, Lady Muriel zu vergiften?«
»Nein, natürlich nicht! Muriel hatte einen Fieberanfall. Ich gab ihr ein paar Heilkräuter, die ihr helfen sollten, doch sie vertrug die Medizin nicht und bekam stattdessen ernsthafte Probleme mit dem Magen. In all der Zeit, während ich diese Heilkräuter angewandt habe, ist so etwas noch nie vorgekommen, bei niemandem. Ich habe nicht versucht, sie umzubringen, sondern ich wollte ihr helfen. Lady Muriel wusste das ebenso gut wie ihr Vater.«
»Dann darf ich also annehmen, dass die Leiche, die Sie aufzuschneiden versuchten, nicht die von irgendjemandem war, bei dem Sie mehr Erfolg mit Ihren Heilkünsten hatten?«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, obwohl sie noch immer vor Zorn zu glühen schienen. »Es handelte sich lediglich um einen Versuch, das ist alles. In unserem Dorf gab es einen Arzt, Doktor Cunningham, und da ich mich seit Jahren für die Medizin interessiert hatte -«
»Seit dem Tod Ihrer Mutter und Ihrer Schwester.«
»Richtig. Aus diesem Grund wurden Doktor Cunningham und ich gute Freunde. Wir hatten gemeinsame Interessen, denn ich hatte mich mit Heilkräuterkunde befasst, und er brachte mir viele Dinge bei. Er unterrichtete mich in Anatomie, zeigte mir, wie der menschliche Körper funktioniert und wie man bestimmte Krankheiten behandeln kann. Im Gegenzug habe ich ihm bei seinen Patienten geholfen, wann immer ich unbemerkt aus dem Haus schlüpfen konnte.«
Lucien dachte über ihre Worte nach. Es gefiel ihm zwar nicht, was sie erzählte, doch es schien der Wahrheit zu entsprechen. »Und was war mit der Leiche, mit der man Sie gefunden hat? Sie sagten, es sei ein Versuch gewesen.«
Sie blickte konzentriert auf die Spitze ihres flachen Schuhs, dann hob sie erneut den Kopf. »In Wahrheit war Doktor Cun-ningham damit beschäftigt, die ... die Leiche zu öffnen. Er kannte einige Männer, die ihn ... nun, mit Mitteln versorgten, sodass er seine Studien weiterbetreiben konnte.«
»Grabräuber, meinen Sie. Leichenschänder. Oder waren es angeheuerte Mörder, die gegen ein kleines Entgelt Ihrem Freund die, wie Sie es nennen, Mittel beschafft haben, damit er seine Studien fortsetzen konnte. So etwas soll schon häufig vorgekommen sein.«
»Ich ... ich weiß nicht, woher sie die Leichen hatten. Aber Doktor Cunningham ist ein Ehrenmann. Und wenn er eine ... Leiche ... besaß, dann hat er sie auf ehrenwerte Weise erhalten. Ich wollte mehr über die Funktionsweise des Menschen erfahren, deshalb hat der Doktor mich zusehen lassen.«
Erschüttert schloss sie eine Sekunde lang die Augen,
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