Suesse Versuchung
Lord Edwards Schwester.
Sophie horchte auf. Seine Schwester? Edward hat eine Schwester?! Von der höre ich
heute zum ersten Mal.
Henry zuckte mit den Schultern. Das wundert mich nicht. Sie bewegt sich nicht in
der Eastbourner Gesellschaft.
Sophie wurde sich mit einem Mal bewusst, dass sie in wenigen Tagen einen Mann
heiraten wollte, über den sie rein gar nichts wusste. Sie unterdrückte ein Seufzen.
Vielleicht war es ein Fehler, aber sie war nicht imstande, ihn zu bereuen. Durch eine
Heirat erhielt sie Henrys Schuldscheine, und sie zweifelte keinen Moment daran, dass
Edward ihn auch vor etwaigen Folgen seiner Mittäterschaft bewahren konnte. Dazu
kam noch, dass Vater sie nicht mehr mit Phaelas verheiraten konnte. Und Edward
gehörte in Zukunft ihr. Ihr ganz allein. Jedes Mal, wenn sie sich das bewusst machte,
wuchs ein warmes Gefühl von Freude und Glück in ihr, das ihr Inneres zum Glühen
brachte.
Auf jeden Fall, holte Henrys eindringliche Stimme sie aus ihren Träumen, musst
du sofort abreisen, Sophie. Ich werde dafür sorgen, dass niemand bemerkt, wie du das
Haus verlässt. Du packst deine Sachen, und ich bringe sie heimlich zur Postkutsche.
Ich würde dich begleiten, aber sie würden meine Abwesenheit sofort bemerken und
mich suchen oder Mutter unter Druck setzen.
Hat dir jemand damit gedroht?, fragte Sophie bestürzt.
N
nicht direkt. Aber einer der Männer hat es anklingen lassen. Ich sage dir,
Sophie: Das haben die beiden absichtlich so eingefädelt! Du hast zu viel
herumgeschnüff
ich meine, du warst ein wenig neugierig, korrigierte er sich
hastig. Er zog nervös seine Taschenuhr zu Rate. Es ist jetzt sechs Uhr abends. Die
erste Postkutsche geht um sechs Uhr früh. Es ist aber besser, du fährst von Lewes aus.
Ich werde dich noch in der Nacht hinbringen, damit niemand sieht, dass du abreist.
Ich werde nicht abreisen.
Was willst du sonst machen?!, fuhr ihr Vetter sie an. Etwa diesen Kerl heiraten?
Ja, sagte Sophie und bedauerlicherweise klang ihre Stimme nicht so fest, wie sie es
sich gewünscht hätte. Und nenne ihn gefälligst nicht Kerl!
14. K APITEL
Sophies Hochzeitsgesellschaft hatte lediglich aus wenigen Personen bestanden: Einer
in Missbilligung erstarrten Tante Elisabeth, deren geschwätzigen Freundin Lady
Baltimore, einer schmollenden Augusta, einem niedergeschlagenen Henry, einem
kühlen und überlegenen Bräutigam und aus Sophie selbst, die was ihren zukünftigen
Mann betraf permanent zwischen Ärger und hilfloser Anziehung schwankte.
Die Zeremonie selbst war kurz und schmerzlos gewesen. Der Pater hatte irgendetwas
gesprochen, das an Sophie ungehört vorbeigerauscht war, Edward hatte ihr seinen
Siegelring an den Finger gesteckt, und Sophie hatte seine Lippen auf ihren gespürt.
Kurz, aber warm und zärtlich. Und verwirrend wie jede seiner Berührungen.
Danach hatte Tante Elisabeth mit zusammengebissenen Zähnen ein kleines Diner
ausgerichtet, bei dem die meisten stumm und in sich gekehrt dagesessen waren, und
nur Edward und Tante Elisabeths Freundin die Konversation aufrechterhalten hatten.
Zu Sophies Erleichterung hatte Edward, der die Situation ähnlich beklemmend
empfand wie sie, sich bald erhoben und sich und seine frischgebackene Ehefrau
entschuldigt. Sophie war ihm liebend gerne gefolgt, war mehr in die vor dem Haus
wartende Kutsche gesprungen als gestiegen, und hatte erst Bedenken bekommen, als
sie vor Edwards Haus hielten.
Und nun stand sie mitten in der Halle und erwiderte die Begrüßung des Personals, das
die neue Herrin neugierig beäugte. Innerlich jedoch hatte sie ein äußerst flaues Gefühl
im Magen. Sie lächelte, nickte, dankte und fragte sich dabei ununterbrochen, ob sie
den Verstand verloren hatte, einen fast völlig Fremden zu heiraten, nur, weil er ihr ein
Geschäft vorgeschlagen hatte, und sie zufällig bis über beide Ohren in ihn verliebt
war.
Die Haushälterin, Mrs. Drarey, hatte in der Bibliothek einen kleinen
Willkommenstrunk vorbereitet. Als Edward Sophie leicht am Arm nahm, um sie die
Treppe zum Halbstock hinaufzuführen, ging sie einerseits gerne mit, froh, die
Begrüßung hinter sich zu haben, andererseits jedoch fürchtete sie das Alleinsein mit
ihm. Was dumm war, wie sie sich immer wieder sagte, denn sie war ja nicht von ihm
verschleppt und vor den Pastor gezwungen worden. Sie hatte sich freiwillig in diese
Ehe gestürzt. Wobei gestürzt
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