Suesser Als Blut
Korsett-Girl-Outfit gefolgt. Ihre Stiefel, die mir zu groß waren, hatte ich mit Papiertaschentüchern ausgestopft. Der bauschige Netzrock kratzte unangenehm, und Hannah hatte mir das Korsett, das eigentlich zu weit für mich war, so eng an den Leib geschnürt, dass selbst meine kleinen Brüste daraus hervorquollen.
Hannah war in ihren hochhackigen Jimmy Choos so langsam vorangekommen, dass ich, als wir schließlich eine stählerne
Wendeltreppe erreichten, fast so weit war, sie mir einfach über die Schulter zu werfen und zu tragen.
Die Wendeltreppe führte hinauf in den lauten – aber leeren – Barraum des Leech & Lettuce, der Blutkneipe des Blue-Heart.
Irgendwo brach lauter Jubel aus, und Hannah gab mir einen Schubs. »Es hat bereits angefangen.«
Ich warf ihr einen grimmigen Blick zu, nahm das Kartendeck und machte Anstalten, es umzudrehen.
»Anschauen verboten«, befahl die Koboldfrau und drohte mir mit einem knochigen Finger.
»Ja, was soll ich denn sonst machen?«, fragte ich gereizt.
»Abheben, Genevieve. Dann gibst du ihr deine Hälfte«, sagte Hannah. »Sonst lässt man uns nicht rein.«
»Na gut.« Ich hob ab und händigte pflichtschuldigst meine Karten aus.
Die Koboldfrau nahm sie und gab mir die unterste Karte. »Teilnehmer«, verkündete sie.
»Teilnehmer? Ich will aber nicht mitmachen!«, sagte ich erschrocken.
Hannah schlang ihren Arm um meine Taille und drückte mich tröstend an sich. »Du willst doch deine Freunde retten, oder? Und das geht nicht, wenn du nur zuschaust.«
»Hätte ich ja gar nicht«, sagte ich ungnädig und schüttelte sie ab. »Aber ich hab keinen Bock auf irgendwelche Spielchen.«
Sie schenkte mir ein wissendes Schmunzeln. »Schau dir deine Karte an, Genevieve.«
Ich drehte sie um. Die Karte war grau, ein waberndes Grau, das sich zu lichten begann, sobald ich darauf schaute.
Warum überraschte mich das nicht?
Ich wollte sie der Koboldfrau zurückgeben, aber sie schüttelte den Kopf.
»Du musst sie behalten«, sagte Hannah.
Klar musste ich. Ich schob mir die Karte zwischen die Äpfelchen.
Hannah hob nun auch ab. Sie erhielt eine rote Karte. »Blutspender«, murmelte sie enttäuscht. »Nun, das war wohl nicht anders zu erwarten.«
»Nu macht mal, ihr Törtchen«, beschwerte sich jemand hinter uns.
Ich fuhr herum. Vor mir stand ein pummeliger kleiner Vampir mit einer dunklen Sonnenbrille und einem authentischen Goth-Outfit. Er fletschte grinsend alle vier Fangzähne. »Wir haben nicht alle so viel Zeit wie ihr.« Er drängte sich rüde an mir vorbei und nahm eine Karte. Sie war schwarz.
»Zuschauer«, rief die Koboldfrau und wies mit dem Daumen über ihre Schulter auf eine Stahltür.
Der Vampir drückte seine Karte dagegen. Die Tür glitt auf, und ein ungeheurer Lärm brandete uns entgegen. Er schlenderte selbstgefällig hindurch.
Ich wollte hinter ihm her, aber Hannah hielt mich zurück. »Ich muss dir doch zeigen, wohin du gehen musst.«
»Dann beeil dich«, fauchte ich, am Ende meiner Geduld.
Hannah führte mich durch die Tür und auf einen geteerten Pfad, der zwischen zwei hohen Tribünenreihen hindurchführte. Vor uns befand sich eine riesige, grell erleuchtete Arena, rechts und links von uns hohe Holzgerüste, auf denen die Tribünen ruhten. Die Menge brüllte und stampfte. Staub rieselte zwischen den Gerüstbalken auf uns herab. Ich zog Hannah auf die Arena zu. Über den dicht besetzten Tribünen hingen gigantische Plasmabildschirme, auf denen in Nahaufnahme die Geschehnisse in der Arena zu sehen waren. Zwei Gegner standen dort in erbittertem Kampf verkeilt wie zwei Wrestler.
Die Plasmabildschirme verdunkelten sich eine Sekunde lang, dann tauchte eine Tabelle mit Namen und Zahlen auf: der Earl, Rio und noch ein paar andere, mir unbekannte Namen. Und dort, ganz unten – mir blieb fast das Herz stehen –
stand mein eigener Name. Mit einer Quote von sechzig zu eins. Maliks Name war nirgends zu sehen.
Ich zupfte Hannah am Arm und brüllte ihr ins Ohr: »Worauf wird gewettet?«
»Auf den Gewinner, natürlich«, brüllte sie zurück.
Ach du Scheiße.
Ein winziger Monitor-Goblin flitzte mit wippenden blauen Löckchen in Kniehöhe an uns vorbei, einen dicken Stapel Zettel in den Fingern. Da schoss ein Arm vor, und ein Vampir packte den Goblin am Kragen seines Overalls und zog ihn zu sich rauf. Der Mund des Vampirs bewegte sich. Der Goblin nickte, kritzelte etwas auf einen Zettel und reichte ihn dem Vampir. Dieser warf mir einen bewundernden
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