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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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sich.
     
    Wahrscheinlich war ich über den Hintereingang in jenen »Tempel der Erinnerung« für die verstorbene Puppenspielerin gelangt, den die Moskauer Stadtregierung vor kurzem mit so großem Pomp eröffnet hatte. An dem Haus hatte man offenbar ewig gebaut: Die Luft in den hallenden, endlosen Korridoren war moderig. Nicht nach Farbe oder Geld roch es hier, wie bei den meisten ambitionierten Bauprojekten der heutigen Zeit, sondern nach Bücherstaub und abgenutzten Textilien, wie von Theatervorhängen und alten Plüschsesseln. Vielleicht war das der Geruch der Exponate.
    Das einzige Licht kam von Kristallleuchtern, die hoch oben an der Decke hingen und an denen höchstens ein Viertel der Birnen brannte. In den granitverkleideten Wänden wölbten sich alle fünfzig Meter dunkle Torbögen - die Eingänge zu den Ausstellungssälen. An jedem davon verkündeten mächtige Bronzetafeln den Namen des jeweiligen Ausstellungsteils: »Erste Schritte«, »Kindergarten«, »Schule, ich komme!«, »Der Stolz der Klasse« und so weiter.
    Ich ging immer weiter, bis sich der Gang teilte: Nach links führte ein Korridor mit dem Titel »Das ganze Leben ein Theater«, geradeaus ging es zur Ausstellung »Im Kreise der Familie«. Der rechte Durchgang war durch eine ziemlich unpassende Betonwand mit Stacheldraht und einem riesigen Schild versperrt, auf dem mit roten Buchstaben KEIN DURCHGANG! geschrieben stand.
    Wohin jetzt?

    Damals im Metrowaggon hatte ich von diesem Museum gelesen, bevor der Junge mit mir zu reden begann … Ich erinnerte mich, dass mir für einen kurzen Moment der Verdacht gekommen war, dass das Museum und der immer wiederkehrende Name dieser Schauspielerin irgendwie mit ihrem Mann zu tun hatten. Wie hieß er noch mal? Knorosow, Juri, wenn ich mich nicht täuschte. Ja, Juri Knorosow. Den Namen kannte ich. Und die Initialen …
    Also deshalb war ich hier.
    War er es, den ich finden musste?
    Ich lief in den Korridor mit den Exponaten über das Familienleben der Walentina Anissimowa. »Der erste Kuss«, »Lidotschka«, »Eng, aber gemütlich« … Und da, endlich, was ich suchte: »Juri«. Ich blickte hinein und erstarrte.
    Jenseits des Bogens öffnete sich ein Saal von unvorstellbarer Größe, angefüllt mit Hunderten erstaunlichster Exponate, die alle mit der Kultur der Maya zu tun hatten. Da gab es Modelle der Pyramiden von Tikal und den Tempel des Zauberers von Uxmal in Miniatur, Dutzende Karten und meterlange Vitrinen mit Maya-Geschirr, Arbeitsgeräten, Schwertern, Bögen, Speeren … In eigenen, verglasten Sarkophagen lagen neben Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren gefaltete Bücher aus Leder und Baumrinde. Entlang der Wände waren Indiofiguren in Lebensgröße aufgereiht. Ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, dass es sich um ausgestopfte Menschen handelte, so echt sahen sie aus. Krieger in kompletter Kriegstracht, mit Tätowierungen und Narben, Priester in prächtigen Gewändern, lächelnde Kinder mit Hundewelpen in den Armen, Frauen mit allerlei häuslichen Gerätschaften … Abgeschirmt von
goldenen Pfählen, zwischen denen samtene, rote Absperrbänder gespannt waren, ruhte im Zentrum des Saals ein mit Schnitzereien verzierter antiker Altar, auf dem die vier Blutrinnen gut zu erkennen waren.
    Ich durchquerte den ganzen Raum. Höchstens ein Zehntel der Namen und Bezeichnungen erkannte ich wieder, obwohl ich geglaubt hatte, mich nach dem Studium Jagoniels, Kümmerlings und Casa del Lagartos ganz gut in der Geschichte der Maya auszukennen.
    Hinter der hohen zweiflügeligen Tür am Ende dieses Saals befand sich noch ein weiterer von nicht geringerer Größe, der den Titel »Conquista« trug. Am Eingang wurde der Besucher von zwei spanischen Soldaten in Brustharnisch und geschwungenen Helmen empfangen. Sie trugen Hellebarden und Arkebusen, und ihre Augen blitzten verdächtig, so dass ich es vorzog, sie so schnell wie möglich zu passieren. An einer der Wände hing ein gigantisches Porträt Diego de Landas - exakt das gleiche wie jenes, das ich bei Jagoniel gesehen hatte. Ihm direkt in die Augen blickte von der anderen Seite der finstere Hernán Cortés.
    Auch hier gab es einiges zu sehen: ein kleines Modell der Kapelle in Maní mit einem geradezu rührend winzigen Autodafé, Schlachtszenen zwischen berittenen Konquistadoren und angreifenden Indios sowie die erste Ausgabe jenes Berichts aus Yucatán , den der Guardian des Klosters von Izamal verfasst hatte. Allmählich spürte ich, dass es Zeit war

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