Sumerki - Daemmerung Roman
noch so verzweifelt gegen die ihn verschlingende Krankheit ankämpfen, zum Tode verurteilt ist und dass das Morphium ihn niemals loslassen wird. Dass ich, der ich nur ein Pappstatist seiner Visionen bin, zusammen mit dem mich umgebenden Kosmos eingemauert in der Einzelzelle seines Bewusstseins, in demselben Augenblick vergehen werde, da sich die Falten auf seiner Stirn und die Kurve seines Kardiogramms versöhnt glätten werden.
Ich weiß, dass diese Apokalypse unbemerkt bleiben wird. Wie viele unvorstellbar reiche, faszinierende, grenzenlose Universen werden jeden Tag geboren und vergehen wieder, ohne jemals ihren Chronisten zu finden? Das einzige Zeugnis, das von ihnen bleibt, sind statistische Berichte und
Grabsteine, auf denen das schwindelerregende Leben eines Menschen, dessen sämtliche Facetten ihm selbst gar nicht bewusst, geschweige denn erinnerlich waren, auf zwei trockene Jahreszahlen zusammengepresst wird.
Der Mensch ist sterblich.
Aber warum sitze ich noch immer hier auf dem Dach dieses alten Hauses am Arbat, schon so viele Stunden, lange genug, um diese Geschichte aufzuschreiben, und starre noch immer mit schmerzenden Augen in die Ferne, auf den Horizont - in der Erwartung, dass das große Licht sich noch einmal über der Erde erhebt und die todbringende Finsternis zerstreut?
Doch deshalb, weil dem Menschen, dessen Frist auf dieser Welt nur wenig länger währt als die einer Eintagsfliege, ein ähnlicher Trost beschieden ist wie eben jenem Insekt: nämlich Leichtfertigkeit und Unkenntnis. Die törichte Illusion der Unsterblichkeit ist alles, was der Mensch für den Verlust des ewigen Lebens im Paradies erhielt. Deshalb ist es unmöglich, sie ihm zu nehmen, genauso wie es unmöglich ist, die Hoffung zu vernichten, die trotz allem selbst in der verdorrtesten Seele sprießt.
… Ich sitze hier schon seit einer Ewigkeit, doch ich bin gewillt, noch einmal genauso lang hierzubleiben. Ich werde meinen Posten nicht eher verlassen, bis ich gewahr werde, wie durch dichte Gewitterwolken hindurch irgendwo in unermesslicher Ferne der erste kleine Strahl hindurchsticht- die Sonne, die sich von ihrem Totenbett erhebt.
ANMERKUNGEN
S. 11: Arbat
Stadtteil im Zentrum Moskaus, benannt nach einer der ältesten Straßen der Stadt, mit historischen Gebäuden, Cafés und Boutiquen.
S. 15: Guardian
Bezeichnung für das Oberhaupt eines Franziskanerklosters.
S. 15: Provinzial
Vorgesetzter einer Ordensprovinz, also der regionalen Verwaltungseinheit eines christlichen Ordens oder einer Kongregation.
S. 21: Selva
Span. »Wald«, auch kurz für »Selva tropical«, also »Regenwald«.
S. 21: »… und er habe sie begriffen.«
Tatsächlich hat Fray Diego de Landa 1566 in seinem Bericht über die Begebenheiten in Yucatán ( Relación de las cosas de Yucatán ) den ersten historisch verbürgten - wenn auch fehlerhaften - Versuch unternommen, die Schrift der Maya systematisch zu entziffern.
S. 25: Cortés
Hernán Cortés, spanischer Konquistador (1485-1547), berühmt vor allem für seine Eroberung des Aztekenreiches im Jahre 1521.
S. 27: Legua
Altes spanisches und lateinamerikanisches Längenmaß: 5,57 Kilometer.
S. 28: Arkebuse
Im 16. Jahrhundert verbreitete Büchse mit kurzem Lauf, daher handlicher als eine Muskete.
S. 45: Pedro de Alvarado
Spanischer Konquistador unter Hernán Cortés, bekannt für seinen Wagemut und seine Grausamkeit. Nach seinen Eroberungen in Guatemala und El Salvador war er bis zu seinem Tod Gouverneur von Guatemala.
S. 46: Smetana
Russ. für »saure Sahne« oder »Schmand«.
S. 68: Turka
Bezeichnung für das charakteristische Kupfer- oder Messingkännchen, das in Russland zum Aufkochen von türkischem Kaffee verwendet wird.
S. 83: Sapote
Auch »Sapotillbaum« oder span. »Chico Sapote«. Bezeichnung für den in Südmexiko verbreiteten Breiapfel-oder Kaugummibaum. Die »Sapodilla« genannten Früchte sind essbar.
S. 98: Dom knigi
Russ. »Haus des Buches«, eines der bekanntesten Buchgeschäfte Moskaus am Neuen Arbat (s. Anm. zu S. 167).
S. 114: Chilam-Balam-Bücher
Span./maya: Libros de Chilam Balam ( Bücher des Jaguarpriesters ), insgesamt zehn Handschriften mit Berichten über Ereignisse aus vorspanischer Zeit sowie religiöse Bräuche und Lebensweisen der Maya.
S. 138: Warenje
Typisch russische Methode, Obst einzukochen. Flüssiger als Marmelade, wird Warenje meist zu schwarzem Tee gereicht und nicht aufs Brot gestrichen, sondern gelöffelt.
S. 150: Lobio
Traditionelles
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